Realpolitik zur Schadensbegrenzung II – Leider trotzdem grosser Schaden zu erwarten

Die Botschaft des Bundesrats zur „Fair-Preis“-Initiative und zu seinem indirekten Gegenvorschlag ist seit Ende Mai raus.

Eigentlich habe ich in „Realpolitik zur Schadensbegrenzung“ schon alles dazu gesagt, denn es gibt auch nach der Vernehmlassung keine Änderung am indirekten Gegenvorschlag. Aber eben, zwar wird der indirekte Gegenvorschlag – falls verwirklicht – den Schaden verglichen mit der Volksinitiative begrenzen. Trotzdem wird der Schaden massiv sein.

Auf Kosten des Auslands

Die Initianten und der Bundesrat stellen sich vor, dass das Preisniveau oder zumindest einige Preise in der Schweiz nach Umsetzung der Initiative oder des indirekten Gegenvorschlags fallen wird bzw. werden (der Bundesrat macht sich dabei allerdings keine Illusionen). Fallen die Preise in der Schweiz und bleibt ansonsten alles gleich, dann muss dies auf die Margen der im Ausland tätigen und zu den dortigen Preisen zur Lieferung verpflichteten relativ marktbeherrschenden Unternehmen drücken (wäre das nicht der Fall, dann gäbe es keinen Grund zur Preisdifferenzierung).

Wer sich nun vorstellt, die relativ marktbeherrschenden Unternehmen würden sozusagen „die Faust im Hosensack“ machen und stillhalten, liegt falsch. Um den Margen- und damit Gewinnverlust zu minimieren, werden sie ihre Preisstrukturen anpassen (vielleicht auch die Produkte differenzieren, sowohl sachlich, räumlich und zeitlich; ist zwar teurer, wirkt im Effekt aber letztlich ähnlich wie eine Anpassung der Preisstrukturen). Mit hoher Wahrscheinlichkeit werden sie die Preise in der Schweiz etwas senken und jene im Ausland etwas anheben, so dass sich Parallelimporte in die Schweiz nicht mehr lohnen werden.

Das bedeutet, dass die Schweiz etwas profitiert – wenn der ganze administrative Aufwand für die Umsetzung der Volksinitiative oder des indirekten Gegenvorschlags berücksichtigt wird, wird wohl auch die Schweiz verlieren – und das Ausland etwas verliert. Damit ist selbst ohne Reimportklausel – dazu sogleich – Stirnrunzeln im Ausland vorprogrammiert. Mit Retorsionsmassnahmen muss deshalb in jedem Fall gerechnet werden. Auch die bereits belasteten Beziehungen der Schweiz zur EU dürften darunter leiden.

Die Reimportklausel

Mit der Reimportklausel der Volksinitiative soll es Schweizer Unternehmen erlaubt bleiben, den Reimport ihrer eigenen Ware aus dem Ausland zu unterbinden, wenn sie solche Ware ins Ausland exportieren und sie dort zu tieferen Preisen als im Inland anbieten. Dass dies gegenüber ausländischen Unternehmen krass unfair ist und die hohen Preise in der Schweiz stützt, also dem Anliegen der Initianten entgegensteht, habe ich hier erklärt.

Der indirekte Gegenvorschlag verzichtet auf eine solche Klausel. Gut. Allerdings lässt sich eine Preisdifferenzierung gemäss Botschaft, S. 68, rechtfertigen, „wenn die Durchschnittskosten der Produktionsanlage in der Schweiz durch eine höhere Auslastung infolge der Erschliessung von Exportmärkten gesenkt werden können und der Absatz im Ausland nur zu tieferen Preisen möglich ist.“ Hat diese – treffende – Rechtfertigung nicht dieselbe Wirkung wie die Reimportklausel? Ein Schweizer Unternehmen braucht bloss vorzutragen, Lieferungen ins Ausland zu günstigeren Preisen trage zur Kapazitätsauslastung und somit zur Kostensenkung bei  – das dürfte fast immer der Fall sein – und schon lässt sich der Reimport verhindern.

Warum sollte eine analoge Rechtfertigung ausländischen Unternehmen verwehrt sein? Auch sie können ihre Durchschnittskosten bei besserer Kapazitätsauslastung senken. Zwar werden sie die Preise in der Schweiz höher als in ihren Niederlassungen im Ausland setzen. Würde die Schweiz aber nicht beliefert, dann wären die Preise für die Abnehmer im Ausland höher (und die Schweizer könnten die Güter gar nicht kaufen). Also ist es sowohl für die Schweizer als auch fürs Ausland besser, wenn die Schweiz beliefert wird, wenn auch zu etwas höheren Preisen.

Das gilt prinzipiell. Wie oben beschrieben wird ein ausländisches Unternehmen aus Profitabilitätsgründen kaum auf Belieferung der Schweiz verzichten, sondern die Preise in der Schweiz etwas tiefer und jene im Ausland etwas höher setzen, um Parallelimporte zu verhindern. Von diesem Szenario, also dass sich die Schweiz auf Kosten des Auslands wird bereichern können, gehen wohl die Initianten aus. Das wird indes nicht gelingen, sondern der Schweiz letztlich zum Schaden gereichen.

Online-Buchungsplattformen

Ursprünglich wollte der Bundesrat im gleichen Aufwisch die Motion Bischof 16.3902 «Verbot von Knebelverträgen der Online-Buchungsplattformen gegen die Hotellerie» abschreiben. Darauf will er nun verzichten. Mit Annahme der Motion wurde der Bundesrat beauftragt, die notwendigen Gesetzesänderungen vorzulegen, um sogenannte Preisparitätsklauseln im Vertragsverhältnis zwischen Online-Buchungsplattformen und Hotels zu verbieten und damit den Hotels zu ermöglichen, auf den eigenen Vertriebskanälen tiefere Preise anzubieten als auf den Buchungsplattformen.

Man erinnere sich: Die WEKO hatte diese Klauseln nicht untersagt, hatte deren Einschätzung in kartellrechtlicher Hinsicht aber offen gelassen, weil es für eine Einschätzung zu früh sei (vgl. RPW 2016/1, S. 167, Rz. 469). Das Bundeskartellamt in Deutschland war indessen zu einem anderen Schluss gekommen und hatte die Klauseln verboten.

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat den Entscheid des Bundeskartellamts eben gekippt und entschieden, dass solche Preisparitätsklauseln zulässig sind: „E[s] stützt sich dabei auf das Ergebnis einer vom Senat veranlassten Hotel- und Kundenbefragung. Die Klauseln sind nicht wettbewerbsbeschränkend, sondern notwendig, um einen fairen und ausgewogenen Leistungsaustausch zwischen den Portalbetreibern und den vertragsgebundenen Hotels zu gewährleisten. Das Buchungsportal darf mit solchen Klauseln Vorkehrungen gegen ein illoyales Umlenken von Kundenbuchungen treffen und verhindern, dass Kunden, die sich unter Inanspruchnahme der Hotelportalseite für das betreffende Hotel entschieden haben, durch niedrigere Zimmerpreise oder bessere Vertragskonditionen von der Buchungsseite des Portalbetreibers auf die Hotelseite umgelenkt werden.

Die Klauseln verhindern also Trittbrettfahren. Das Anliegen der Motion ist somit Trittbrettfahren.

 


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