Kürzlich habe ich ein Hotel via eine Buchungsplattform gesucht. Beim Besuch der Hotelwebseite ist plötzlich diese Meldung aufgepoppt. Das Hotel vermarktet sich also auf Buchungsplattformen und nimmt somit deren Dienste in Anspruch. Gleichzeitig bietet es interessierten Hotelgästen tiefere Preise auf dem direkten Kanal an. Das ist in Ordnung (für die Hotelkunden allerdings mühsam), falls die Dienste der Buchungsplattformen mit Zahlungen abgegolten werden, die unabhängig von Zimmerbuchungen sind. Ansonsten ist das klassisches Trittbrettfahren.
In ihrer Verfügung vom 19. Oktober 2015 in Sachen Online-Buchungsplattformen für Hotels verwirft die WEKO das Trittbrettfahrerargument unter anderem mit folgender Begründung (Rz. 375): „Auch das von Booking.com vorgebrachte Argument, dass gemäss einer eigenen Umfrage eine Mehrheit der befragten Endkunden bei entsprechend tieferen Preisen auf dem direkten Vertriebskanal eines Hotels anstatt auf der Online-Buchungsplattform zu buchen, entspricht letztlich einem normalen Marktverhalten. Auch illustriert dieses Resultat vielmehr, dass vom direkten Vertriebskanal durchaus eine disziplinierende Wirkung auf Online-Buchungsplattformen ausgehen kann.“
Anstelle das Argument zu widerlegen, bestätigt diese Aussage allerdings das reale Risiko des Trittbrettfahrerverhaltens der Kunden.
- Wenn sich die Kunden erst auf der Buchungsplattform über die Angebote orientieren und danach, im Wissen um die tieferen Preise auf dem direkten Vertriebskanal des Hotels, auf diesem direkten Vertriebskanal buchen, dann ist das klassisches Trittbrettfahrerverhalten.
- Wenn die direkten Vertriebskanäle eine disziplinierende Wirkung auf die Buchungsplattformen haben, dann bedeutet dies, dass die Buchungsplattformen durch das Trittbrettfahrerverhalten Einnahmen verlieren würden, also ein wiederum reales Risiko bestehen würde, dass sie ihre Investitionen in ihre Plattform nicht würden amortisieren können.
Viel klarer kann die Sachlage eigentlich nicht sein. Weshalb die WEKO zu einem anderen Ergebnis kommt, ist schleierhaft. Vielleicht hat die WEKO angenommen, der Kunde würde – bei bekannt tieferen Preisen im direkten Vertriebskanal – die Buchungsplattformen gar nicht erst bemühen. Das ist indes sehr unwahrscheinlich, da viele Hotelkunden sich via diese Plattformen erst über das Hotelangebot am Zielort kundig machen. Auch Kunden, welche bereits über Ortskenntnisse verfügen, nutzen diese Plattformen, um die Attraktivität ihres bisherigen Hotels zu prüfen.
Ebenso wenig vermögen die übrigen Ausführungen der WEKO zu den Effizienzwirkungen von Preisparitätsklauseln zu überzeugen. Dass die Dienstleistung der Buchungsplattformen komplex sei, dass sie Beratungsleistungen erbringen würden etc. mag die WEKO bezweifeln, geht aber an der Sache vorbei. Die relevanten Grössen sind die Investitionen, welche Booking.com, HRS, ebookers etc. in den Aufbau ihrer Plattformen getätigt haben. Es sind diese Investitionen, die trittbrettfahrergefährdet sind.
Meistbegünstigungsklauseln wie Preisparitätsklauseln haben zweifellos auch wettbewerbsbeschränkende Wirkungen. Eine Abwägung zwischen den wettbewerbsbeschränkenden und den effizienzsteigernden Wirkungen dieser Klauseln müsste deshalb erfolgen. Sicherlich nicht zutreffend ist, dass es für diese Klauseln im vorliegenden Fall keine Gründe der wirtschaftlichen Effizienz nach Art. 5 Abs. 2 KG gibt, wie die WEKO aber in Rz. 468 ihrer Verfügung behauptet.
In der Literatur zum Thema wird überdies nirgends bezweifelt, dass ein Trittbrettfahrer- und Holdup-Problem existiert (vgl. etwa A. Ezrachi, The competitive effects of parity clauses on online commerce, Dezember 2015; http://www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/17441056.2016.1148870). Zweifel an der Weisheit des Verbots dieser Klauseln – ob weit oder eng – sind deshalb angebracht. In einer Studie zeigen z.B. Johansen und Vergé (Platform Price Parity Clauses with Direct Sales), dass „Contrary to the theories of harm developed by competition agencies and in some of the recent literature, we show that when we account for the sellers‘ participation constraints, price parity clauses do not always lead to higher commissions and final prices. Instead, we find that they may simultaneously benefit all the actors (platforms, sellers and consumers), even in the absence of traditional efficiency arguments.“ (http://www.hec.ulg.ac.be/en/event/platform-price-parity-clauses-with-direct-sales)
In den USA wurden ähnliche Klagen wie jene in Europa mit Verweis auf Effizienzgründe abgewiesen. „Citing to the European investigations, the class alleged that OTAs [Online Travel Agencies] and hotel brands were engaged in an “industry-wide conspiracy” to eliminate price competition in the online hotel bookings market. The court found that the vertical agreements “made perfect economic sense” because hotels have “the right to control online pricing for their rooms” and OTAs needed assurances that their competitors would be similarly prohibited from discounting room prices. Thus, the defendants` actions were consistent with each party’s independent rational business interests.“ (Schaeffer et al., https://www.milbank.com/images/content/2/2/22903/Competitor-Parity-Clauses.pdf, S. 4).
Die vorberatende Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerats hat dem Begehren der Hotellerie nach einem Verbot der Preisparitätsklauseln am 3. Februar 2017 mit 9 zu 1 Stimmen stattgegeben (https://www.parlament.ch/press-releases/Pages/mm-wak-s-2017-02-03.aspx). Dies mit Verweis auf ähnliche gesetzgeberische Tätigkeiten in einigen Mitgliedsländern der EU.
Die Buchungsplattformen scheinen sich ein anderes Geschäftsmodell überlegen zu müssen. Ob damit dem Hotelkunden letztlich gedient ist?