Die Konsumentschutzorganisationen vertreten die Interessen der Konsumentinnen und Konsumenten. Im Kampf gegen die sog. „Hochpreisinsel Schweiz“ fordern SKS und Co. freie Parallelimporte und ein Verbot von Preisbindungen der zweiten Hand. Ausländische Anbieter von Markenartikeln sollen freien Zugang zum Schweizer Markt haben. Dem Detailhandel soll es ermöglicht werden, den offiziellen Importeur der Schweiz zu umgehen, um die Waren direkt im billigeren Ausland zu beziehen. Ausserdem sollen sich die einzelnen Händler beim Verkauf eines bestimmten Produkts (bspw. Nikon D3100) gegenseitig einen unerbittlichen Wettbewerb liefern.
Diese Forderungen sind in der Kartellgesetzrevision 2003 auf fruchtbaren Boden gestossen und haben zum Erlass des berühmten Art 5 Abs. 4 KG geführt, welcher Preisbindungen der zweiten Hand und bestimmte Formen von Gebietsabsprachen unter Generalverdacht und damit dem Risiko hoher Sanktionen unterstellt. Die Wettbewerbskommission ist in diesem Bereich nicht untätig geblieben und hat bereits diverse Unternehmen gebüsst: Gaba, Felco, Landi, Gebro, Eli Lilly, Pfizer, Bayer.
Klingt alles schön und gut. Doch lässt sich die Wirksamkeit der mit der Kartellgesetzrevision 2003 eingeführten Wunderwaffe im Kampf gegen die Hochpreisinsel Schweiz auch wissenschaftlich untermauern? Nein, der Mainstream der Ökonomen ist längst zur Erkenntnis gelangt, dass
- Vertikalabreden für die Konsumentinnen und Konsumenten nur gerade dann schädlich sein können, wenn kein Interbrand-Wettbewerb besteht, bspw. weil es nur einen Anbieter eines spezifischen Gutes gibt (dieser Fall ist selten und dafür bräuchte es keine direkten Sanktionen);
- bei genügend Interbrand-Wettbewerb sich Vertikalabreden wettbewerbsfördernd auswirken und damit das Wohl der Konsumentinnen und Konsumenten steigern;
- eine strenge Politik gegenüber Vertikalabreden dazu führt, dass die Unternehmen aus Angst vor Sanktionen auf effiziente Vertriebsformen verzichten, worunter letztlich die Konsumentinnen und Konsumenten leiden;
- eine strenge Politik gegenüber Vertikalabreden Unternehmen in die vertikale Integration drängt, weil Abreden innerhalb eines Konzerns nicht unter das Kartellgesetz fallen;
- Hersteller, welche nicht über eigene Vertriebsorganisationen verfügen gegenüber vertikal integrierten Unternehmen benachteiligt werden.
Vgl. hierzu etwa Massimo Motta, Competition Policy, Theory and Practice, Cambridge University Press 2004, Chapter 6, oder: Judith Cseres, Competition Law and Consumer Protection, Aspen Publ. 2005. Schade wird solche Literatur nicht auch von den Konsumenschutzorganisationen gelesen.
Wie geht es weiter? Der Bundesrat schlägt in der laufenden KG-Revision eine differenziertere Behandlung vertikaler Abreden vor und will damit das Problem eines allzu rigorosen Vorgehens gegenüber vertikalen Abreden lindern. Der Vorschlag ist leider halbherzig, wie Adrian Raass in seinem Post bereits zutreffend erläutert hat. Warum kommt der Bundesrat mit derart harmlosen Vorschlägen? Es ist zu vermuten, dass der politische Druck in diesem Bereich nach wie vor gross ist. Auch die Parlamentarier werden sich davor hüten, sich für eine mutigere Lösung auszusprechen. Denn tun sie dies, werden sie als „Sonntagsliberale“ abgestempelt.
Auch wenn die Forderungen der Konsumentenschutzorganisationen den Konsumenten und Konsumentinnen letztlich schaden, so nützen sie wenigsten den Anwälten und Beratern, welche auch künftig mit willkommenen Aufträgen in volkswirtschaftlich harmlosen Vertikalfällen bedient werden.