Auszug aus der Pressemitteilung der WEKO:
Mit Verfügung vom 30. Juni 2014 hat die Wettbewerbskommission (WEKO) ihre Untersuchung gegen die Jura Elektroapparate AG (Jura) abgeschlossen. Die WEKO genehmigt eine einvernehmliche Regelung, in der sich Jura verpflichtet, ihren Vertriebspartnern den Verkauf über das Internet prinzipiell zu gestatten.
Zwischen der Firma Jura und ihren Vertriebspartnern bestand eine Abrede über den Verzicht auf Online-Handel mit Jura-Kaffeemaschinen. Entsprechend dem Leitentscheid der WEKO in Sachen Online-Handel vom 11. Juli 2011 (Elektrolux AG/V-Zug AG) hat sich Jura im Rahmen einer einvernehmlichen Regelung dazu verpflichtet, den zum selektiven Vertrieb zugelassenen Wiederverkäufern von Kaffeemaschinen den Verkauf über das Internet prinzipiell zu gestatten.
Im Elextrolux/V-Zug-Leitentscheid „stipulierte“ die WEKO, dass Verbote von Verkäufen über Online-Shops grundsätzlich unzulässig seien und Internetverkäufe nur unter restriktiven Voraussetzungen beschränkt werden dürften. Einen Beweis der Schädlichkeit der konkreten Abrede oder auch nur der Zulässigkeit ihres eigenen Vorgehens konnte sich die WEKO sparen, da (leider) Electrolux und V-Zug bereits zu Beginn der Untersuchung Bereitschaft für eine einvernehmliche Lösung signalisiert und ihre Vertriebssysteme noch während der Untersuchung angepasst haben. Bei Jura wurde offenbar dieses „informelle Verfahren“ dupliziert.
Ein solches „selbstreferenzielles Vorgehen“ – zumal in einer höchst umstrittenen Materie – als Bestätigung der Praxis darzustellen, ist m.E. eine behördliche Anmassung sonder gleichen! Da nach Elektrolux/V-Zug nun auch Jura Hand zu Anpassungen und zu einer einvernehmlichen Regelungen geboten hat, müssen wir auf eine echte Bestätigung – sei es auch nur durch anfechtbare Beweisführung der WEKO oder besser durch Urteile der Rekursinstanzen – weiter warten. Nebenbei sei ergänzt, dass im aktuell gültigen Kartellgesetz weder explizit noch implizit eine Kategorie „grundsätzlich unzulässiger“ Tatbestände vorgesehen ist; es gibt aber „vermutungsweise den Wettbewerb beseitigende und damit unzulässige Tatbestände“. Bis dato war es aber gerade Praxis, dass die WEKO glaubhaft darzulegen hatte, dass diese Vermutung im konkreten Fall tatsächlich nicht umgestossen werden konnte.
Wir haben in diesem Blog schon mehrfach darauf hingewiesen (s. z.B. die Links unten) dass ein wettbewerbsrechtlicher Eingriff in die Vertragsautonomie der Hersteller zum Vertrieb ihrer Produkte dann – und nur dann – gerechtfertigt sein kann, wenn die fragliche Vertriebsabrede mit Marktmacht auf der einen oder anderen beteiligten Wertschöpfungsstufe gekoppelt ist. Dies kann ebenso dann – und nur dann – der Fall sein, wenn der interbrand-Wettbewerb auf Hersteller- und/oder Vertriebsebene nicht wirksam ist bzw. durch die fragliche Abrede beeinträchtigt oder beseitigt wird. Es sind keine wettbewerbsrechtlichen (und erst recht keine wettbewerbsökonomischen) Gründe ersichtlich, weshalb der Online-Handel anders behandelt werden müsste.
Unter den Bedingungen des wirksamen interbrand-Wettbewerbs, dem ohne Frage Elektrolux, V-Zug und Jura ausgesetzt sind, können vertragliche Vertriebsbeschränkungen betrieblich-strategisch (aus der Sicht der Beteiligten) richtig oder falsch sein, sie können aber jedenfalls nicht mit kartellgesetzlich relevanten Schäden in Verbindung gebracht werden. Die WEKO greift in Tat und Wahrheit nicht korrigierend im Sinne des Kartellgesetz-Zweckartikels, sondern regulierend zum Nutzen einzelner Online-Händler ein. Dadurch verursacht sie selber eine auf Dauer vermutlich erhebliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs.
https://wettbewerbspolitik.org/2013/10/22/vertical-restraints-for-online-sales/
https://wettbewerbspolitik.org/2013/05/08/vorgeschmack-auf-praxis-nach-einfuhrung-teilkartellverbot/