An der Veranstaltung der Studienvereinigung Kartellrecht zu aktuellen Fragen des Schweizer Kartellrechts gab es neben dem bereits erwähnten Vortrag von Peter Hettich auch andere interessante und bemerkenswerte Präsentationen.
Zwei davon waren sicherlich diese von Mélanie Thill-Tayara, welche die Luxusgüterindustrie vertrat, und diese von Nikolaus Lindner, der die Interessen von ebay wahrte. Beide sprachen über die Online-Vertriebsbestimmungen in der Verordnung über vertikale Vereinbarungen der EU-Kommission respektive in den Leitlinien dazu. Mélanie Thill-Tayara betonte zu Recht, dass von Herstellern auferlegte Vertriebsbeschränkungen durchaus effizient sein können und dies in den meisten Fällen wohl auch sind. Deshalb sei die sehr kritische Haltung der EU-Kommission gegenüber Beschränkungen des Online-Vertriebs problematisch. Nikolaus Lindner konnte den fraglichen EU-Vorschriften mehr abgewinnen und meinte, dass Beschränkungen des Internetvertriebs für viele Güter nicht sinnvoll seien. Beide beklagten indes die Unklarheiten in den Leitlinien der EU-Kommission und die damit nach wie vor fehlende Rechtssicherheit.
Bemerkenswert an den Vorträgen war insbesondere, dass die Begriffe „Wettbewerb“ und „Wettbewerbsbeschränkung“ darin nicht vorgekommen sind. Während in der Präsentation von Mélanie Thill-Tayara zumindest das Wort „anticompetitive“ zweimal vorkommt, fehlten Bezüge zum Wettbewerb im Vortrag von Nikolaus Lindner gänzlich.
Das erstaunt nicht wirklich, denn im Reich der vertikalen Vereinbarungen, welche die Wettbewerbsbehörden (auch in der Schweiz) mittels Vertriebsregulierungregieren, geht Form vor Wirkung. Nicht mehr der Wettbewerb ist der Regulator, sondern die Wettbewerbsbehörden. Das ist sehr bedauerlich und volkswirtschaftlich schädlich, denn in diesem Fall müssen sich die Unternehmen nicht mehr wirklich im Wettbewerb anstrengen, sondern sich vielmehr gegenüber den Wettbewerbsbehörden hervortun. Und die Wettbewerbsbehörde, welche den Wettbewerb reguliert und damit zähmt, tut das Gegenteil dessen, was sie eigentlich tun sollte.