AMAG, Aftermarkets und relative Marktbeherrschung

Das WEKO-Sekretariat hat eben auf eine Untersuchung gegen die AMAG verzichtet, weil die AMAG die vom Sekretariat abgegebenen Anregungen umsetzen wird. In seiner Vorabklärung hat das WEKO-Sekretariat festgestellt (alles provisorisch, zwar), dass

  • der AMAG auf dem Markt für den Vertrieb von Neufahrzeugen keine marktbeherrschende Stellung zukommt, weil es da viele Wettbewerber gibt;
  • es im nationalen Markt für die Erbringung von Serviceleistungen für die von der AMAG vertriebenen Marken des Volkswagenkonzerns und
  • im nationalen Markt für den Vertrieb von Ersatzteilen für die von der AMAG vertriebenen Marken des Volkswagenkonzerns möglicherweise unzulässige Wettbewerbsabreden zwischen der AMAG und ihren Vertriebspartnern gibt.

Die AMAG steht also einerseits im tobenden Wettbewerb, wenn es um den Absatz von Neufahrzeugen geht, wenn es aber um après-vente Dienstleistungen geht, gibt es keinen Wettbewerb mehr, denn aprés-vente werden die Märkte vom WEKO-Sekretariat markenspezifisch abgegrenzt.

Dabei wendet das WEKO-Sekretariat implizite die bekannte Zwei-Märkte-Theorie an: Im ersten Markt, wo Wettbewerb besteht, wird in ein dauerhaftes Gut wie z.B. in ein Auto (oder in eine Werkstatt) investiert. Weil der Investor, also hier der Autokäufer (oder Garagist) jetzt gebunden ist, denn die Investition lässt sich so leicht nicht rückgängig machen (hohe „switching costs“), und zudem dumm ist, denn er vergisst bei seinem Investitionsentscheid, dass während der Lebensdauer seines Autos relativ hohe Wartungskosten anfallen, kann man ihn in diesem zweiten Markt, dem „aftermarket“, ausnehmen (die sogenannte „rip off phase“).

Obwohl es zur Theorie von den hohen Wechselkosten, welche ein Ausbeuten der Gebundenen erlauben würde, viele wissenschaftliche Beiträge gibt, ist sie m.E. wenig plausibel (massgebend, aber viel zu wenig beachtet, ist m.E. dieser Aufsatz zum Thema). Ich kenne denn auch keinen wissenschaftliche Beitrag, der die Theorie empirisch stützen würde. Trotzdem wird sie von Wettbewerbs- und Regulierungsbehörden gerne bemüht.

Autokäufer und Garagisten sind nicht dumm. Sie wissen, dass während der Lebensdauer des Autos hohe Wartungskosten anfallen bzw. dass die Werkstatt Unterhalt erfordert und amortisiert werden muss. Also werden sie über die Folgekosten nachdenken, bevor sie investieren. Ansonsten handeln sie fahrlässig und machen grobe Fehler. Folgekosten werden somit bereits bei der Investition berücksichtigt, im vorliegenden Fall also beim Vertrieb von Neufahrzeugen.

Wird aber beim Vertrieb von Neufahrzeugen bereits über die spätere Wartung des Autos nachgedacht, dann gibt es keine separaten Märkten für Serviceleistungen und Ersatzteile. Und wird beim Entscheid, ob in einen Werkstatt investiert wird, bereits über die Bedingungen für den Erwerb von Ersatzteilen und das Erbringen von Serviceleistungen nachgedacht, dann gibt es die erwähnten separaten Märkte ebensowenig. Wird nicht über diese Dinge nachgedacht, dann darf das Kartellrecht nicht dazu missbraucht werden, um fehlerhafte Investitionsentscheide zu korrigieren.

Meines Erachtens ist es inkonsistent, einen Markt für den Vertrieb von Neufahrzeugen und markenspezifische „Aftermarkets“ abzugrenzen. AMAG kann sich weder überteuerte Autos noch überteuerten Service erlauben, denn die potenziellen Kunden werden bei ihrem Kaufentscheid sowohl Auto- als auch Wartungspreise berücksichtigen.

Die sogenannte Kraftfahrzeug-Bekanntmachung der WEKO und die Erläuterungen dazu beruhen deshalb auf einer unzutreffenden Beurteilung der Wettbewerbsverhältnisse.

All das wurde in diesem Blog bereits mehrfach gesagt (z.B. hier und hier). Was aber hat das alles mit der relativen Marktbeherrschung zu tun? Wenn die WEKO und ihr Sekretariat die Zwei-Märkte-Theorie weiterhin wie gewohnt anwenden, dann muss die relative Marktbeherrschung sicherlich nicht ins Kartellgesetz eingeführt werden. Mit der Zwei-Märkte-Theorie lassen sich die Märkte derart eng abgrenzen, dass immer Marktbeherrschung und damit individuelle Abhängigkeit resultiert.


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