Am 12. Dezember 2017 wurde am Atelier de la Concurrence über Investitionsschutz im Kfz-Gewerbe diskutiert bzw. Vertreter des Autogewerbeverbandes monierten die (relative) Marktmacht der Hersteller bzw. von deren Generalimporteuren und einen damit einhergehenden ungenügenden Schutz ihrer markenspezifischen Investitionen. Es sei daher Zeit, dass die Schweizer Wettbewerbsbehörde interveniere, um den Tausenden von Kfz-Unternehmen in der Schweiz zu ermöglichen, im freien Wettbewerb zu bestehen und sie vor der Marktmacht ausländischer Hersteller und deren inländischen Importeuren zu schützen.
Aufrufe, die KMUs vor grossen Zulieferern oder Abnehmer zu schützen, gibt es viele. Sie sind nicht selten von Erfolg gekrönt. So gibt es in der Schweiz z.B. die KFZ-Bekanntmachung vom 29. Juni 2015, welche einen ebensolchen Schutz bezweckt (dem Kfz-Gewerbe aber offenbar nicht genügt). Dass man sich für seine Interessen einsetzt, ist selbstverständlich. Unverständlich wäre eher, wenn man es nicht tun würde. Ob solche Individual- oder Brancheninteressen aber deckungsgleich mit dem volkswirtschaftlichen Interesse sind, ist eine andere Frage.
Einige Erfahrungen mit solchen Anliegen gibt es in den USA. Der Robinson-Patman Act verbietet es den Herstellern seit 1936, ihren Abnehmern unterschiedliche Preise zu verrechnen, sofern sich die Preisunterschiede nicht auf Kostenunterschiede zurückführen lassen (es gibt auch noch weitere Ausnahmen von diesem Verbot; diese sind hier aber nicht von Belang). Damit sollte es grossen Abnehmern verunmöglicht werden, alleine aufgrund ihrer Grösse (Nachfragemacht) bessere Bedingungen als kleinere Abnehmer – eben KMU – zu erhalten. Diese Gesetzesbestimmung hat nach wie vor Bestand, obwohl bereits viermal empfohlen wurde, die Bestimmung ersatzlos zu streichen, weil sie letztlich zu weniger Wettbewerb und zu höheren Konsumentenpreisen geführt hat (vgl. hier und hier, ab Seite 311).
Bestimmungen, welche Differenzierungen beschränken, beschränken gleichzeitig die Wettbewerbsmöglichkeiten. Sie wirken ähnlich wie Meistbegünstigungsklauseln und erschweren so Preissenkungen, denn was ich jemandem zugestehe, muss ich auch allen anderen zugestehen. Die Wettbewerbsbehörden stehen Meistbegünstigungsklauseln deshalb skeptisch gegenüber (ich erinnere an die Verfahren gegen die Hotelplattformen). Wenn sie oder die Politik nun aber Branchen- oder anderen Interessen nachgeben, die im Grunde nichts anderes als Meistbegünstigung fordern, dann tun sie genau das, was sie andernorts ablehnen.
Ich würde hier sogar so weit gehen und behaupten, dass alle Kartellrechtsregeln, welche Wettbewerbsbehörden oder Politik zum Schutz von Branchen- oder Individualinteressen schaffen, den Wettbewerb letztendlich lähmen und in vielen Fällen zu höheren Preisen führen. Dazu gehören auch Anliegen wie die Forderung nach einer vermehrten Anwendung des Konzepts der so genannten relativen Marktbeherrschung, welches nicht dem Wettbewerb, sondern den Anliegen einzelner Wettbewerber dient.
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P.S: Ich habe mich am erwähnten Anlass auch aus anderen Gründen nicht überzeugt gezeigt. Hersteller und Generalimporteure können kein Interesse daran haben, ihre Vertriebspartner in den Ruin zu treiben, denn ohne Vertriebspartner kein Autoverkauf. Wegen des unbestritten tobenden Wettbewerbs im Automarkt sind die Hersteller und Generalimporteure gleichzeitig gezwungen, ihre Vertriebspartner mittels ambitiöser Verkaufsziele und hoher Forderungen in Service- und Verkaufsqualität unter einen enormen Verkaufsdruck zu setzen. Niemand ist allerdings gezwungen, im Autovertrieb tätig zu werden. Ob die Vertragsbedingungen zumutbar sind, muss vor Vertragsunterzeichnung geprüft werden. Die WEKO darf nicht zu einer Versicherung gegen sich im nachhinein als ungünstig erweisende Verträge werden.