Gemäss einem Post im Kluwer Competition Law Blog hat die niederländische Wettbewerbsbehörde (ACM) eben Leitlinien zur kartellrechtlichen Beurteilung vertikaler Vereinbarungen publiziert.
In diesen Leitlinien werden einige Fallbeispiele erwähnt, welche die Praxis der ACM illustrieren sollen. Darunter findet sich auch ein Beispiel, welches sich eng an den so genannten Tooltechnic-Fall anlehnt. Tooltechnic verkauft Festool-Werkzeuge. Die australische Wettbewerbsbehörde hatte in diesem Fall Preisbindungen toleriert, weil ein erfolgreicher Verkauf dieser Werkzeuge eine gute Beratung erfordert. Solche Beratung, welche aufwendig ist und die man nur im Verkaufsgeschäft erhält, ist indes stark trittbrettfahrergefährdet. Man holt sich die Beratung im Geschäft und kauft dann beim Discounter oder vielleicht noch billiger online. Gute Beratung und damit auch gute Verkäufe lassen sich so natürlich nicht realisieren.
Preisbindungen sind in solchen Fällen ein probates Mittel, um den notwendigen Service und die Beratung zu gewährleisten, denn Preisbindungen verhindern Discountverkäufe. Die australische Wettbewerbsbehörde hat die Preisbindung daher sicherlich zu Recht zugelassen.
Wichtiger scheint mir indes, dass die niederländische Wettbewerbsbehörde gleich erkannt hat, dass auch ein starker Interbrand-Wettbewerb bestand und dass die Preisbindung daher eh unbedenklich war, denn „if interbrand competition is strong, ACM assumes that RPM is positive for consumers.“ Bei Interbrand-Wettbewerb muss man also gar nicht weiter hinschauen. Die Preisbindung muss effizient sein, denn ansonsten würde sie vom Wettbewerb eliminiert.
Diese Aussagen in den Leitlinien der ACM sind auch deshalb bemerkenswert, weil sie für die Rechtsprechung in der Schweiz relevant sind. Die ACM hat EU-Wettbewerbsrecht anzuwenden (Landesrecht darf nicht gegen EU-Wettbewerbsrecht verstossen). In den Fällen Gaba und Gebro hat sich das Bundesverwaltungsgericht (BVGer) stark auf die EU-Praxis zu so genannten „Kernbeschränkungen“ (wozu auch Preisbindungen gehören) gestützt um zu begründen, weshalb das so genannte quantitative Element – im Wesentlichen das Ausmass des (Interbrand)Wettbewerbs – bei der Frage der Erheblichkeit einer Wettbewerbsbeschränkung keine Rolle spielen soll (vgl. z.B. E. 11.3.4 im Urteil betreffend Gaba vom 19. Dezember 2013). Dieser Sichtweise wird nun implizit – aber zu Recht – in den Leitlinien der ACM widersprochen. Es ist deshalb zu begrüssen, dass das BVGer in seinen so genannten Baubeschläge-Urteilen vom 23. September 2014 in E.6.1.3 wieder etwas vom erwähnten Diktum in Gaba abrückt (vgl. auch hier. Stephan Breitenmoser hat in Jusletter eben einen Beitrag zum Thema publiziert. Darin trägt er vor, die Frage einer Abweichung der Baubeschläge-Urteile vom Gaba-Urteil stelle sich nicht. Dies leuchtet indes nur schwerlich ein, zumal Breitenmoser gar nicht auf die fragliche Passage im Baubeschläge-Urteil eingeht).
Also Licht am Horizont? Das Bundesgericht wird urteilen.
P.S: Eben lese ich einen Beitrag, wonach der Onlinehandel im Visier der Kartellwächter sei. Das ist bekannt. Interessanter ist die Bemerkung, dass „eine Ursache für die Wettbewerbsproblematik im Internet […] am Onlinehandel selbst [liegt]. Kunden nehmen oft in stationären Geschäften Beratungsdienstleitungen in Anspruch und bestellen dann im Internet. Die Hersteller und Händler versuchten sich mit Beschränkungen gegen Trittbrettfahrer und Beratungsklau zu schützen.“ Die WEKO schützt indes diesen Online-Handel, weil er ein wichtiges Element zur Förderung des Wettbewerbs sei und grundsätzlich nicht beeinträchtigt werden dürfe. Dass diese Praxis verkehrt ist, wurde in diesem Blog hier und anderswo moniert.