Willkommene Präzisierungen des WEKO-Sekretariats zur Praxis bei Preisempfehlungen

Strenger als in der EU ist die Praxis der Weko zu Preisempfehlungen. Selbst Unternehmen, welche unverbindliche Preisempfehlungen herausgeben, müssen unter gewissen Umständen mit Sanktionen rechnen. Als Beispiele hierzu seien der Fall Hors-Liste sowie das Verfahren im Hörgerätemarktzu erwähnen:

  • Die Hersteller von Potenzmitteln Pfizer, Bayer und Eli Lilly wurden im Fall Hors-Liste mit insgesamt CHF 5.7 Mio. gebüsst, weil diese unverbindliche Preisempfehlungen herausgegeben haben, welche von vielen (aber lange nicht von allen) Apothekern befolgt wurden;
  • die Hersteller von Hörgeräten wurden durch das Bundesamt für Sozialversicherungen dazu angehalten, Preisempfehlungen herauszugeben. Weil sich die Akustiker mehrheitlich an diese Preisempfehlungen gehalten haben, wurden diese im Zwischenbericht des Sekretariats als Preisabreden qualifiziert.

Die Praxis ist nicht immer einheitlich. In der kürzlich abgeschlossenen Vorabklärung Festool (RPW 2011/3, S. 364 ff.) verfolgte das Sekretariat einen weniger strengen Ansatz und verzichtete auf die Eröffnung einer Untersuchung. Zeichnet sich eine Kehrtwende ab?

Das Unternehmen Tooltechnic Systems (Schweiz) AG soll die Händler dazu gebracht haben, die von ihr empfohlenen Wiederverkaufspreise für elektrische Werkzeuge der Marke Festool einzuhalten. Konkret soll Tooltechnic ihren Partnerhändlern eröffnet haben, sie stelle ihre Marketingunterstützungen ein, sofern die Partnerhändler sich nicht an die Preisempfehlungen hielten. Das Sekretariat regte im Sinne einer Massnahme nach Art. 26 Abs. 2 KG an, alle Festool-Partnerhändler in einem Schreiben ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass sie in der Preisfestsetzung frei seien. Dieser Umstand sei weiterhin in allen Festool-Preislisten zu vermerken. Tooltechnic kam den Forderungen des Sekretariats nach. In der Vorabklärung ergab sich, dass ca. 26 % der befragten Unternehmen sich in der Preisfestsetzung an die Empfehlungen von Tooltechnic gebunden fühlten und diese befolgten.

Im Entscheid wird klargestellt, dass die Kriterien gemäss Ziffer 15 Abs. 3 VertBek blosse Aufgreifkriterien darstellen und nicht für die Frage, ob eine Abrede vorliegt, relevant sind. Dies ist zu begrüssen, da der Abredebegriff in Art. 4 Abs. 1 KG definiert ist und auf die Willensabstimmung der beteiligten Unternehmen abstellt. Ziff. 15 Abs. 3 VertkBek enthält demgegenüber äusserliche Kriterien, welche von den eigentlichen Kriterien des Abredebegriffs zu unterscheiden sind.
Gemäss Ziffer 15 Abs. 3 VertBek sind Preisempfehlungen insbesondere dann zu untersuchen, wenn sie nicht in allgemein zugänglicher Weise abgegeben werden (Bst. a) und nicht ausdrücklich als unverbindlich bezeichnet werden (Bst. b). Ferner deutet der Umstand, dass das Preisniveau der von den Preisempfehlungen betroffenen Produkte im benachbarten Ausland deutlich tiefer liegt, auf eine Abrede hin (Bst. c). Unter Geltung der alten Vertikalbekanntmachung wurden diese Aufgreifkriterien noch zur Prüfung des Abredetatbestands von Art. 4 Abs. 1 KG verwendet, was selbstverständlich falsch war (so insbesondere im Fall Hors-Liste, RPW 2010/4, 660 Rz 144 ff).

Unklar bleibt die Rolle des Befolgungsgrades, welcher ebenfalls als Aufgreifkriterium in Ziff. 15 Abs. 3 Bst. d VertBek enthalten ist. Dieser soll gemäss dem Bericht zur Vorabklärung Festool weiterhin als Beurteilungskriterium für das Vorliegen einer Wettbewerbsabrede verwendet werden. Immerhin hielt das Sekretariat fest, dass „ein alleiniges Abstellen auf den Befolgungsgrad ohne Vorliegen weiterer Indizien nicht vorbehaltlos ausreichen kann, um eine Abrede im Sinne von Art. 4 Abs. 1 i.V.m. Art. 5 Abs. 4 KG anzunehmen“. Dies ist zu begrüssen, auch wenn die Relativierung „nicht vorbehaltslos“ vermuten lässt, dass die Behörde auch weiterhin in erster Linie auf den Befolgungsgrad abstellen will. Mithin bekennt sich das Sekretariat zu folgender Aussage (Rz. 34):

„Wenn der Befolgungsgrad unterschiedslos immer ausreichen würde, beruhte das Erfüllen des Tatbestandsmerkmals der abgestimmten Verhaltensweise und damit die Legalität der Preisempfehlung auf dem Verhalten des Empfehlungsadressaten und der anschliessenden Beurteilung der Wettbewerbsbeseitigung bzw. der Erheblichkeit der Wettbewerbsbeschränkung durch die WEKO. Dem Unternehmen, das an sich rechtskonform Preisempfehlungen ausspricht, wäre gewissermassen die Kontrolle über die Legalität seines Verhaltens entzogen. Es sei denn, es wäre sich von vornherein sicher, dass selbst für den Fall, dass die Preisabreden eingehalten werden, keine erheblichen Auswirkungen auf den Wettbewerb zu befürchten sind. Im Resultat hätte das alleinige Abstellen auf den Befolgungsgrad zur Folge, dass eine Preisempfehlung, obwohl sie gemäss Praxis nicht unzulässig ist, trotzdem potenziell unzulässig wäre. Dies wäre mit dem Gebot der Rechtssicherheit schwerlich zu vereinbaren.“

Weiter bekräftigte das Sekretariat im Schlussbericht, dass dem Interbrand-Wettbewerb bei der Erheblichkeitsprüfung eine eigenständige Bedeutung zukommt. Erfreulich ist, dass gemäss dem Schlussbericht bei einem Marktanteil von 25% selbst dann keine erhebliche Wettbewerbsbeinträchtigung vorliegen würde, wenn sämtliche Händler sich an die Preisempfehlungen halten würden. Wünschenswert wäre, dass ein solcher safe harbour nicht nur bei Preisempfehlungen, sondern allgemein bei Tatbeständen gemäss Art. 5 Abs. 4 KG zur Anwendung gelangen würde. Ziff. 66 des Schlussberichts ist aber zu entnehmen, dass in Fällen von Preisempfehlungen, bei denen Druck ausgeübt wird oder die Einhaltung mit besonderen Anreizen gewährleistet wird, die 30%-Regel nicht gelten soll. Demzufolge gilt der 30%-safe harbour im vertikalen Verhältnis auch bei expliziten Preisabsprachen oder bei Gebietsabschottungen nicht, was zu bedauern ist, da Vertikalabreden bei Marktanteilen unter 30% in aller Regel keine schädlichen Auswirkungen auf den wirksamen Wettbewerb haben.

Der Schlussbericht ist kein Meilenstein, aber immerhin ein Schritt in die richtige Richtung. Dementsprechend ist zu hoffen, dass die in diesem Entscheid festgehaltenen Grundsätze im Sinne von Mindeststandards künftig von allen Diensten des Sekretariats und auch von der Weko selbst befolgt werden. Von den Gerichten (Bundesverwaltungsgericht, Bundesgericht), welche nicht an die Vertikalbekanntmachung gebunden sind, darf hingegen erwartet werden, dass die im Gesetz vorgesehene Erheblichkeitsprüfung im Sinne einer umfassenden Wirkungsanalyse verstanden wird und dass unbedeutende Fälle, unabhängig von der Abredeform, kartellrechtlich nicht beanstandet werden.


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