Die Revisionsvorlage sieht vor, die Eingreifschwellen bei der Fusionskontrolle zu senken, weil die heutigen Bestimmungen zu wenig wirksam, d.h. zu permissiv seien (vgl. den Erläuternden Bericht auf Seite 21). Man würde erwarten, dass die mangelnde Wirksamkeit der aktuellen Eingreifschwellen (vgl. Art. 10 KG) an Beispielen illustriert würde. Im Erläuternden Bericht sollten demnach Zusammenschlüsse erwähnt werden, welche in der Vergangenheit nur deshalb realisiert werden konnten, weil die Bestimmungen des Kartellgesetzes zu wenig griffig ausgestaltet sind. Im Erläuternden Bericht ist allerdings nichts Derartiges zu finden.
Theoretisch mag es zwar zutreffen, dass mit den heutigen Eingreifschwellen nicht alle irgendwie denkbaren negativen Auswirkungen von Zusammenschlüssen erfasst werden. Praktisch sind daran aber erhebliche Zweifel angebracht. Unternehmenszusammenschlüsse müssen rasch vollzogen werden, damit sie erfolgreich sind. Andauernde Unsicherheiten über Besitzverhältnisse, Struktur, Strategie, Arbeitsplätze etc. sind für ein Unternehmen tödlich. Ein negativer Entscheid der Wettbewerbsbehörde über ein Zusammenschlussvorhaben führt deshalb in aller Regel zur Aufgabe des Vorhabens oder Auflagen und Bedingungen werden akzeptiert, auch wenn die Zusammenschlussparteien der Meinung sind, diese seien nicht gerechtfertigt. Beschwerden ans Bundesverwaltungsgericht oder ans Bundesgericht sind wegen der langen Verfahrensdauer in aller Regel keine Option und unterbleiben deshalb. Tatsache ist somit, dass der Erläuternde Bericht keinen einzigen Fall nennt (und wohl auch nicht nennen könnte), bei welchem die Wettbewerbsbehörde wegen den angeblich zu permissiven Eingreifschwellen nicht hat intervenieren können.
In der Praxis waren hingegen zahlreiche Eingriffe zu beobachten – ob zu Recht oder zu Unrecht, sei hier dahingestellt. Es ist deshalb nicht zu erkennen, welchen Nutzen die vorgeschlagene Senkung der Eingreifschwelle erzielen könnte.
Zu erwägen wären indessen nicht nur der potenzielle Nutzen einer Regulierung, sondern ebenso deren potenzieller Schaden. Offensichtlich ist der Schaden, welcher den Unternehmen und den Behörden aus dem zusätzlichen Aufwand entstehen wird, falls die Eingreifschwellen tatsächlich gesenkt werden. Dies gilt insbesondere, falls der in der EU zur Anwendung gelangende SIEC (significant impediment to effective competition) – Test übernommen würde. Dabei würden nicht nur unbestimmte Begriffe wie „erhebliche Wettbewerbsbeschränkung“ in die Zusammenschlusskontrolle übernommen, welche bereits in anderen Bestimmungen (Art. 5 KG) zu finden, aber auch dort für den Rechtsanwender völlig unklar sind, sondern es wäre neu auch eine Effizienzverteidigung zu argumentieren.
Eine Senkung der Eingreifschwellen bedeutet indessen nicht bloss Zusatzaufwand, sondern auch eine Erhöhung der Gefahr ungerechtfertigter Eingriffe. Gerade die Beurteilung von Zusammenschlüssen ist ein Blick in die Zukunft und damit in die Kristallkugel. Die Gefahr sich zu irren, ist deshalb sehr gross. Insbesondere in einem Erlass, der den Wettbewerb fördern soll, ist im Zweifelsfall der Marktmechanismus der Staatsintervention vorzuziehen. Aus diesen Gründen hat sich der Gesetzgeber bei der Einführung der Zusammenschlusskontrolle auch dafür entschieden, die Hürden für einen Eingriff hoch anzusetzen (vgl. BBl 1995 I 583 ff.). Wie weiter oben gezeigt, haben sich diese Hürden in der Praxis nicht als zu hoch erwiesen. Eine Senkung der Eingreifschwelle würde deshalb aller Voraussicht nach die Zahl ungerechtfertigter Staatseingriffe erhöhen, aber keinen zusätzliche Nutzen stiften.
Fazit: Der Erläuternde Bericht zur Revisionsvorlage macht Vorteile aus, wo keine zu finden sind. Demgegenüber werden die potenziellen Schäden, wenn überhaupt erwähnt, als zu gering eingestuft. Die vorgeschlagene Senkung der Eingreifschwelle bei der Fusionskontrolle hätte aller Voraussicht nach insgesamt negative Auswirkungen auf die Volkswirtschaft.