Fair-Preis-Initiative

V   Nationalrat

Der Nationalra lehnt die Initiative ab. Mit grosser Mehrheit hat er aber am Montag beschlossen, deren Anliegen direkt ins Gesetz zu schreiben. Zudem soll das Geoblocking verboten werden, mit dem Onlinehändler verhindern, dass Schweizer Kunden direkt in ausländischen Stores einkaufen können. Die neuen Regeln sollen nicht nur gegenüber ausländischen Unternehmen, sondern auch innerhalb der Schweiz gelten. Das würde Preiskontrollen durch Gerichte ermöglichen. Die Vorlage geht nun an den Ständerat.

>> Medienmitteilung

IV    Vorberatende Kommission (WAK-N)

Die vorberatende Kommission (WAK-N) begann ihre Beratungen am 5. Juli 2019 mit Anhörungen. Neben dem Initiativkomitee waren der Schweizerische Gewerbeverband (sgv), der Schweizerische Markenartikelverband (ProMarca), die Wettbewerbskommission, der Preisüberwacher sowie zwei Experten eingeladen, ihre Positionen darzulegen.

Mit der inhaltlichen Diskussion der Vorlage begann sie am 20. August 2019, unterbrach die Detailberatung jedoch und verlangte weitere Informationen von der Verwaltung.

Am 8. Oktober 2019 beschloss die WAK-N mit 12 zu 11 Stimmen, den Schutzbereich des indirekten Gegenvorschlags auch auf Anbieter auszudehnen, die von relativ marktmächtigen Nachfragern abhängig sind (Art. 4 Abs. 2bis KG). Zudem strich sie den vom Bundesrat vorgeschlagenen neuen Art. 7a KG. Sie möchte, dass sich die Regelung für relativ marktmächtige Unternehmen nicht von jener für marktbeherrschende Unternehmen unterscheidet. Ein grundsätzliches Verbot des privaten Geoblockings, wie es die Initiative fordert, lehnte die Kommission jedoch mit 12 zu 11 Stimmen ab.

Am 5. November 2019 kam die WAK-N den Initianten noch weiter entgegen. Sie sprach sich mit 13 zu 12 Stimmen dafür aus, dass die Sanktionen in Artikel 49a Absatz 1 KG für relativ marktmächtige Unternehmen nicht gelten sollen. Darüber hinaus beschloss sie mit 12 zu 11 Stimmen bei 2 Enthaltungen, die Liste der Regelbeispiele der wichtigen Fälle des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung um Art. 7 Abs. 2 Bst. g KG zu ergänzen. Gemäss dieser Ergänzung ist die Einschränkung der Möglichkeit für Nachfrager, Waren oder Dienstleitungen, die in der Schweiz oder im Ausland angeboten werden, im Ausland zu den dortigen Marktpreisen und branchenüblichen Bedingungen zu beziehen, unzulässig. Ausgenommen sind jedoch exportierte Waren, die ins Produktionsland reimportiert und dort ohne weitere Bearbeitung weiterverkauft werden sollen (sog. «Reimportklausel»). Mit ihren Ergänzungen des Gegenvorschlags kam die Kommission den Forderungen des Initiative in vielen Punkten entgegen. Sie beantragte deshalb mit 10 zu 6 Stimmen bei 9 Enthaltungen, die Initiative abzulehnen.

III    Botschaft ans Parlament

Am 29. Mai 2019 verabschiedete der Bundesrat die Botschaft zur „Fair-Preis“-Initiative und zu seinem indirekten Gegenvorschlag.

Aufgrund des Ergebnisses des Vernehmlassungsverfahrens sah der Bundesrat keinen Anlass, den Entwurf für einen indirekten Gegenvorschlag anzupassen, denn zu den Kernanliegen des Entwurfs für einen indirekten Gegenvorschlag seien die Stellungnahmen insgesamt ausgewogen gewesen (vgl. Botschaft, S. 62f.).

II     Indirekter Gegenvorschlag des Bundesrats

Am 22. August 2018 eröffnete der Bundesrat das Vernehmlassungsverfahren zum indirekten Gegenvorschlag zur „Fair-Preis“-Initiative.

Der Bundesrat erachtet das Kernanliegen der Initianten zwar als berechtigt. Die Initiative geht ihm aber zu weit, insbesondere da sie in der Praxis vor allem inländische Geschäftsbeziehungen in Märkten erfassen würde, in denen Wettbewerb herrscht. Auch das von der Volksinitiative vorgesehene Verbot von privaten Geoblockingmassnahmen (vgl. Übergangsbestimmung Abs. 2 Bst. e) lehnt er ab.

Der indirekte Gegenvorschlag will wie die Volksinitiative grenzübergreifende Preisdiskriminierung durch in- und ausländische Unternehmen bekämpfen, soll Möglichkeiten für Parallelimporte schaffen und damit den Wettbewerb stärken. Er sei zudem mit den internationalen Verpflichtungen der Schweiz kompatibel, ohne dass volkswirtschaftlich schädliche Auswirkungen auf die Schweiz befürchtet werden müssten.

Konkret wird folgende Ergänzung des Kartellgesetzes vorgeschlagen:

Art. 4 Abs. 2bis:  Als relativ marktmächtiges Unternehmen gilt ein Unternehmen, von dem andere Unternehmen bei der Nachfrage einer Ware oder Leistung in einer Weise abhängig sind, dass keine ausreichenden und zumutbaren Möglichkeiten bestehen, auf andere Unternehmen auszuweichen.

Art. 7a: Unzulässige Verhaltensweisen relativ marktmächtiger Unternehmen
Ein relativ marktmächtiges Unternehmen verhält sich unzulässig, wenn es durch den Missbrauch seiner Stellung auf dem Markt von ihm abhängige Unternehmen in der Aufnahme oder Ausübung des Wettbewerbs behindert, indem es diesen Unternehmen den Bezug einer Ware oder Leistung im Ausland zu den dort von ihm praktizierten Preisen und Geschäftsbedingungen ohne sachliche Gründe verweigert.

I      Initiative eingereicht

Die eidgenössische Volksinitiative «Stop der Hochpreisinsel – für faire Preise (Fair-Preis-Initiative)» wurde am 12. Dezember 2017 mit 107’908 beglaubigten Unterschriften eingereicht.

Die Initiative hat folgenden Wortlaut:

Die Bundesverfassung (1) wird wie folgt geändert:

Art. 96 Abs. 1

1 Der Bund erlässt Vorschriften gegen volkswirtschaftlich oder sozial schädliche Auswirkungen von Kartellen und anderen Wettbewerbsbeschränkungen. Er trifft insbesondere Massnahmen zur Gewährleistung der diskriminierungsfreien Beschaffung von Waren und Dienstleistungen im Ausland sowie zur Verhinderung von Wettbewerbsbeschränkungen, die durch einseitiges Verhalten von marktmächtigen Unternehmen verursacht werden.

Art. 197 Ziff. 12 (2)

12. Übergangsbestimmung zu Art. 96 Abs. 1

1 Bis zum Inkrafttreten der gesetzlichen Bestimmungen erlässt der Bundesrat innerhalb zweier Jahre nach Annahme der Änderungen von Artikel 96 Absatz 1 durch Volk und Stände die erforderlichen Ausführungsbestimmungen.

2 Die Ausführungsbestimmungen von Bundesversammlung und Bundesrat folgen den nachstehenden Grundsätzen:

a. Die Verhaltensweisen, die für marktbeherrschende Unternehmen unzulässig sind, sind auch für Unternehmen unzulässig, von denen andere Unternehmen in einer Weise abhängig sind, dass keine ausreichenden und zumutbaren Möglichkeiten bestehen, auf andere Unternehmen auszuweichen (relativ marktmächtige Unternehmen).

b. Marktbeherrschende und relativ marktmächtige Unternehmen verhalten sich vorbehältlich einer Rechtfertigung aus sachlichen Gründen unzulässig, wenn sie die Möglichkeit für Nachfrager einschränken, Waren oder Dienstleistungen, die in der Schweiz und im Ausland angeboten werden, im Staat ihrer Wahl zu den dort von den Unternehmen praktizierten Preisen zu beziehen; Preisdifferenzierungen bleiben zulässig, solange Unternehmen nicht wettbewerbswidrige Ziele verfolgen und keine Wettbewerbsverzerrungen verursachen.

c. Unternehmen dürfen durch einseitiges Verhalten die Beschaffung der von ihnen exportierten Waren im Ausland einschränken, wenn diese Waren ins Produktionsland reimportiert und dort ohne weitere Bearbeitung weiterverkauft werden sollen.

d. Relativ marktmächtige Unternehmen sind bei unzulässigem missbräuchlichem Verhalten von direkten kartellrechtlichen Sanktionen ausgenommen.

e. Der diskriminierungsfreie Einkauf im Online-Handel ist grundsätzlich zu gewährleisten, insbesondere durch eine Bestimmung gegen unlauteren Wettbewerb.

(1) SR 101

(2) Die endgültige Ziffer dieser Übergangsbestimmung wird nach der Volksabstimmung von der Bundeskanzlei festgelegt.

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