p und nicht p also q (aus einem Widerspruch folgt Beliebiges)*

Das Bundesgericht hat Swisscoms Beschwerde in der Sache „Netzbaustrategie – Anordnung vorsorglicher Massnahmen“ mit Urteil vom 2. November 2022 abgewiesen.

Im Zentrum des Urteils stand die Frage (E 4.6), ob die Wettbewerbskommission überhaupt ermächtigt ist, von Swisscom einen bestimmten Ausbau der Glasfasernetzarchitektur (P2P) zu verlangen, damit Dritten ein bestimmter Zugang zum Glasfasernetz (Layer1) gewährt werden kann.

Gegen eine solche Ermächtigung spricht, dass der Gesetzgeber anlässlich der Revision des Fernmeldegesetzes von 2018 eine Zugangsregelung zum Glasfasernetz ausdrücklich abgelehnt hatte. Grund für den Verzicht auf eine solche Zugangsregulierung war, dass der Gesetzgeber die Investitionstätigkeit in Randregionen nicht gefährden wollte (E 5.4).

Mit anderen, formaler Logik folgenden Worten: „Eine Zugangsregulierung zum Glasfasernetz (p) würde die Investitionstätigkeit in Randregionen gefährden (nicht i)“. Im Umkehrschluss heisst das: „Wenn der Zugang zum Glasfasernetz nicht reguliert wird (nicht p), wird die Investitionstätigkeit in Randregionen nicht gefährdet (i).“ Also „Wenn nicht p, dann i„.

Zwei Jahre nachdem der Gesetzgeber eine Zugangsregulierung aus den erwähnten Gründen abgelehnt hatte, verlangte die WEKO von Swisscom einen bestimmten Ausbau des Glasfasernetzes, damit ein regulierter Zugang gewährleistet werden kann. Der Zugang zum Glasfasernetz kann gemäss WEKO also via Kartellgesetz (KG) erzwungen werden.

Eine Zugangsregulierung ist eine Zugangsregulierung ist eine Zugangsregulierung.

Tatsächlich soll also heute – in Abweichung zum Beschluss des Parlaments – der Netzzugang reguliert werden.

Der Wille des Gesetzgebers (die Investitionstätigkeit in Randregionen nicht zu gefährden, also i) kann mit p (Zugangsregulierung) nicht erfüllt werden. Somit verletzt eine Zugangsregulierung – gleich via welches Gesetz – den Willen des Gesetzgebers.

Die WEKO und die Gerichte waren sich zwar bewusst, aus welchen Gründen der Gesetzgeber eine Zugangsregulierung zum Glasfasernetz abgelehnt hatte. In ihren Entscheiden haben sie eine Zugangsregulierung aber trotzdem für rechtens befunden. Faktisch haben sie in ihren Urteilen somit gleichzeitig p und nicht p statuiert. Daraus folgt in der Sprache der Logik aber Beliebiges (q) oder – mit einem Synonym – Willkür.

Das Bundesgericht hat einen Entscheid über vorsorgliche Massnahmen aufzuheben, wenn die beanstandete Interessenabwägung vernünftiger Grundlage entbehrt und nicht nachvollziehbar erscheint, d.h. letztlich unhaltbar bzw. willkürlich ist (E 2.1). Der Entscheid über die vorsorglichen Massnahmen ist offensichtlich unhaltbar.

Warum das Bundesgericht dies nicht erkannt hat, ist schwer nachvollziehbar. Im Urteil hat es sich die Fehlüberlegung von Ständerat Schmid zu eigen gemacht, wonach die Lösung des Parlaments (keine Zugangsregelung) die Frage zum Wettbewerbsrecht offen lasse (E 5.5.1). Diese Frage hat das Parlament zwar nicht explizit, aber wie gezeigt implizit klar beantwortet.

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*Ich habe bis August dieses Jahres für Swisscom gearbeitet. Aus diesem Grund habe ich in diesem Blog bisher nie über ein KG-Verfahren mit Swisscom-Beteiligung berichtet. Heute bin ich pensioniert, bin Swisscom also nicht mehr verpflichtet und schliesslich bleibt Logik immer Logik.


Kommentare

Eine Antwort zu „p und nicht p also q (aus einem Widerspruch folgt Beliebiges)*”.

  1. Avatar von Markus Saurer
    Markus Saurer

    Bei der von Adrian Raass erwähnten Fernmeldegesetzrevision 2018 hat das Parlament nicht nur die Regulierung des Zugangs zu den Glasfaseranschlussnetzen ausdrücklich abgelehnt, sondern auch eine dreijährliche Berichterstattung des Bundesrates ins Gesetz geschrieben. Der Bundesrat soll innert dreier Jahre nach Inkraftsetzung des revidierten FMG einen Bericht über die Markt- und Wettbewerbsverhältnisse vorlegen, und damit begründen, ob weiterhin auf eine Regulierung der Glasfaser verzichtet werden sollte oder Regulierungsbedarf gegeben sei.

    Dieser Bericht wird nächstes Jahr herauskommen. Ich bin gespannt, was dann dort die sektoriellen Regulierungsbehörden (ComCom und Bakom) bzw. der Bundesrat zu den an sich gesetzeswidrigen und willkürlichen Einmischungen der Wettbewerbsbehörden sagen werden.

    Diese Einmischung führte erstens zu massiven Verzögerungen im Netzausbau und das Einlenken von Swisscom führt jetzt zweitens zu einer massiven Verteuerung des Netzes von Swisscom. Diese grossen Nachteile fallen letztlich auf Markt, Wettbewerb und Endkunden zurück. Die Verantwortung dafür tragen die Wettbewerbsbehörden. Es wäre toll, wenn die Netzbetreiber (z.B. der Verband asut) den volkswirtschaftlichen Schaden ihrer unreflektierten Tat ermitteln und publik machen würden.

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