Das Kartellrecht als Umverteilungsmaschine

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Jeder Rechtserlass bewirkt Einkommens- und Vermögensumverteilungen. Das tut auch das Kartellrecht. Allerdings sollen die durch das Kartellrecht bewirkten Umverteilungseffekte zu einer leistungsgerechten Einkommensverteilung führen und damit eine Funktion sicherstellen, welche vom Wettbewerb gemeinhin erwartet wird. Man will ja nicht, dass sich z.B. Kartellisten durch eine Preisabrede Einkommen sichern, welche nichts mit Leistung zu tun haben.

Sichert das Kartellrecht also den Wettbewerb, dann führt dies gleichzeitig zu einer leistungsgerechten Einkommensverteilung. Wird eine solche Verteilung als unfair empfunden, sollte dies nicht mittels Kartellrecht korrigiert werden, sondern mit anderen Mitteln, insbesondere der Steuer- und Abgabepolitik.

Leider wird das Kartellrecht seit jeher auch zur Einkommensumverteilung missbraucht. Ein aktueller Fall dürfte die Klage von Epic gegen Apple sein. Epic möchte, dass Apple seine Kommission senkt, welche bei Käufen in Apples App-Store anfällt. Mit Wettbewerb hat das nichts zu tun. Nachdem Epic auch dadurch reich geworden ist, indem es seine Spiele via Apples sehr erfolgreichen App-Store vertreiben konnte, ist Epic nun der Meinung, die Kommission von Apple sei zu hoch (unangemessen). Epic verdankt seinen Erfolg grossenteils Apple. Apple verdankt den eigenen Erfolg vor allem der eigenen Leistung. Kann Epic die Wettbewerbsbehörden davon überzeugen, dass die Kommission von Apple unangemessen und deshalb zu senken ist, wird sich Epic etwas von Apples Einkommen aneignen können. Eine Einkommensumverteilung also.

Es gibt viele andere Beispiele. So kämpfen die Garagisten in der Schweiz seit Jahren für bessere Vertragsbedingungen. Sie haben viel erreicht. Die WEKO hat eine Kraftfahrzeug-Bekanntmachung erlassen, welche in Erläuterungen präzisiert wird. Darin werden z.B. Kündigungsfristen und der Zugang zu technischen Informationen geregelt. Weil die Garagisten der Meinung sind, die Zivilgerichte würden das Kartellrecht trotz der erwähnten Bekanntmachung nicht richtig anwenden, versuchen sie die Bekanntmachung mittels Motion in eine Verordnung umzugiessen.

Die Vertriebs- und Serviceverträge im Automobilgewerbe sind bestimmt sehr hart. Sie sind hart, weil der Wettbewerb in diesem Gewerbe derart hart ist. Kein Autohersteller kann sich ein ineffizientes Vertriebssystem erlauben, er würde ansonsten im Wettbewerb Nachteile erleiden (was sich auch nachteilig für seine Vertriebspartner, also die Garagisten, auswirken würde). Die Bemühungen der Garagisten sind zwar verständlich, wer möchte die Vertragsbestimmungen nicht zu seinen Gunsten geändert wissen? Mit unzulässigen Wettbewerbsbeschränkungen, welche das Kartellgesetz ins Recht fasst, haben diese Bemühungen aber nichts zu tun. Es handelt sich um eine reine Einkommensumverteilungsaktion.

Ganz ähnlich ist der Streit zwischen den Online-Buchungsplattformen (z.B. booking.com oder ebookers.ch) und den Hotels zu verstehen. Die Hotels möchten zwar auf diesen Plattformen präsent sein, weil sie viele Kunden bringen, möchten aber gleichzeitig auf der eigenen Homepage tiefere Preise anbieten dürfen, damit die Kunden letztlich via Hotel-Homepage buchen, so dass die Hotels die Kommission an die Buchungsplattformen vermeiden können. Die WEKO ist hier bereits zu Gunsten der Hotels eingeschritten. Das geht den Hoteliers aber zu wenig weit, weshalb sie den politischen Weg beschritten haben.

Zu allem Überfluss soll nun neu auch noch die so genannte relative Marktmacht ins Kartellgesetz eingeführt werden. Relativ marktmächtig sollen Unternehmen sein, von denen andere Unternehmen in einer Weise abhängig sind, dass keine ausreichenden und zumutbaren Möglichkeiten bestehen, auf andere Unternehmen auszuweichen. Solche relativ marktmächtigen Unternehmen müssen dann aufpassen, dass sie nicht z.B. unangemessener Preise oder unangemessener Geschäftsbedingungen bezichtigt werden. Und da schnell behauptet ist, man hätte keine ausreichenden und schon gar keine zumutbaren Ausweichmöglichkeiten, werden sozusagen alle Vertragsverhältnisse dem Zugriff und der Regulierung durch die WEKO offen sein.

So wird die Einkommensumverteilungsmaschinerie perfektioniert. Nur mit Wettbewerb, den das Kartellgesetz eigentlich fördern sollte, hat das nichts mehr zu tun.

5 Antworten zu „Das Kartellrecht als Umverteilungsmaschine”.

  1. Lieber Herr Raas
    Zur Relativen Marktmaht:
    Es werden nicht – wie Sie schreiben – „sozusagen alle Vertragsverhältnisse dem Zugriff und der Regulierung durch die WEKO offen sein“. Erforderlich ist doch – jedenfalls nach dem Vorschlag der Fair-Preis-Initiative – immer, dass die Voraussetzungen von Art. 7 Abs. 1 KG gegeben sind: Eine missbräuchliche Behinderung in der Aufnahme oder Ausübung des Wettbewerbs oder eine Benachteiligung einer Marktgegenseite.
    Mit besten Grüssen
    Roger Zäch, Prof. em. Universität Zürich

  2. Sie schreiben, es würden „sozusagen alle Vertragsverhältnisse dem Zugriff und der Regulierung durch die Weko offen sein“. Bei einer Umsetzung der Fair-Preis-Initiative wird das nicht geschehen. Es müssen ja auch die Voraussetzungen von Art. 7 Abs. 1 KG erfüllt sein. Wer nicht missbräuchlich ein Unternehmen in der Aufnahme oder Ausübung des Wettbewerbs behindert oder missbräuchlich eine Marktgegenseite benachteiligt, hat nichts zu befürchten!

  3. Sehr geehrter Herr Ebneter, sehr geehrter Herr Prof. Zäch, allerbesten Dank für Ihre Kommentare.

    Es ist richtig, dass die Voraussetzungen von Art. 7 Abs. 1 KG gegeben sein müssen. Allerdings ist die von Art. 7 Abs. 1 KG verlangte Behinderung im Wettbewerb oder eine Benachteiligung als Marktgegenseite wegen z.B. Preisdiskriminierung oder unangemessener Geschäftsbedingungen schnell behauptet und nicht gar so schnell widerlegt. Dies insbesondere, aber nicht nur, wegen der neusten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Fall SIX/DCC. Ich hoffe – wie Sie sicherlich auch – auf eine Korrektur dieser Rechtsprechung durch das Bundesgericht.

    Ich bleibe also bei meiner Aussage, wonach die Einführung der relativen Marktmacht Tür und Tor für jedes Unternehmen öffnen wird, um jeden Vertragspartner einer unzulässigen Wettbewerbsbeschränkung zu bezichtigen. Das dürfte insbesondere die KMU treffen, denn grosse Unternehmen dürften sich zweimal überlegen, ob sie mit KMUs überhaupt noch Vertragsbeziehungen eingehen und sich damit Klagen wegen relativer Marktmacht aussetzen wollen.

    1. In all unseren Nachbarländern wird die „relative Marktmacht“ angewendet wird, in Deutschland seit 1972. Gleichwohl werden dort Geschäfte im grossen Umfang abgewickelt. Ihre diesbezüglichen Befürchtungen sind nicht begründet.

  4. Wenn man sich die Beispiele von Verhaltensweisen in Art. 7 Abs 2 KG anschaut, etwa lit. b (Preis- oder Konditionendiskriminierung) oder auch lit. d (gegen Konkurrenten gerichtete Unterbietungen), dann sieht man, dass es sich dabei im Fall von nicht-marktbeherrschenden Unternehmen um Strategien oder Taktiken im Wettbewerb handelt, um prokompetitive Verhaltensweisen.

    Mit der Einführung der relativen Marktmacht werden im Zuge der Compliance viele Unternehmen auf solche Verhaltensweisen verzichten – also sie werde sozusagen einen eingeschränkten Wettbewerb führen. Das um die relative Marktmacht ergänzte KG droht selber zur Wettbewerbsbeschränkung zu werden.

    Vermutlich werden wir bald Gelegenheit haben, diese Frage eingehender zu diskutieren.

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