Keine erhebliche Behinderung wesentlichen Wettbewerbs

Vor einigen Tagen hat das Bundeskartellamt (BKartA) den Erwerb der Unternehmen der Buchbinder Gruppe („Buchbinder“) durch die Europcar S.A. („Europcar“) im Vorprüfverfahren freigegeben. Obwohl die Marktanteile von Europcar und Buchbinder nach dem Zusammenschluss in einzelnen Bereichen knapp über 40 % liegen werden, haben die Ermittlungen des BKartA ergeben, dass auf keinen Märkten eine erhebliche Behinderung wesentlichen Wettbewerbs durch den Zusammenschluss zu erwarten ist, denn mit Avis, Enterprise, Hertz, Sixt und regionalen Anbietern stehen den Kunden viele Ausweichmöglichkeiten zur Verfügung.

Wäre der Zusammenschluss in der Schweiz meldepflichtig gewesen, so hätte die Wettbewerbskommission sicherlich auch keine Einwände gegen den Zusammenschluss erhoben. Nach dem Zusammenschluss werden Europcar und Buchbinder natürlich alles vereinheitlichen: z.B. Fahrzeugflotte, Vertriebspolitik und selbstverständlich die Preise.

Hätten sich Europcar und Buchbinder nicht zusammengeschlossen, sondern „bloss“ die Mietpreise für ihre Fahrzeuge abgesprochen, hätte dies gemäss neuster Rechtsprechung des Bundesgerichts den Wettbewerb erheblich beeinträchtigt. Eine solche Abrede – eine Preisabsprache nach Art. 5 Abs. 3 Kartellgesetz – ist unzulässig, ausser sie lasse sich aus Effizienzgründen rechtfertigen.

Kann wirklich als Abrede unzulässig sein, was als Zusammenschluss unbedenklich ist?

Man mag einwenden, ich würde Birnen mit Äpfel vergleichen. Ein Zusammenschluss sei keine Wettbewerbsabrede. Bei Zusammenschlüssen würde eben alles zusammengelegt und alles, nicht bloss Preise abgesprochen, und deshalb würden bei einem Zusammenschluss vermutlich Effizienzgewinne resultieren. Das gelte bei Abreden nicht. Dem halte ich entgegen, dass die Hypothese, wonach Zusammenschlüsse vermutungsweise Effizienzgewinne produzieren, mehr als wackelig ist. Es wäre deshalb naheliegend (wie z.B. Michael Funk und Samuel Rutz in der NZZ von heute schreiben), Zusammenschlussvorhaben nach denselben Kriterien wie Wettbewerbsabreden zu beurteilen. Zusammenschlüsse, welche den Wettbewerb erheblich beeinträchtigen könnten, sollen nur dann zugelassen werden, wenn der Zusammenschluss sehr wahrscheinlich zu Effizienzgewinnen führen würde (im Fachjargon heisst dies „SIEC-Test“).*

Ich möchte hier die Frage stellen (und beantworten), weshalb ein Zusammenschluss, der zu Marktanteilsadditonen von teilweise knapp über 40% führt, den Wettbewerb nicht erheblich beeinträchtigt, während eine Preisabrede den Wettbewerb ungeachtet irgendwelcher Marktanteilsadditionen grundsätzlich erheblich beeinträchtigt. Gleich, ob sich Europcar und Buchbinder zusammenschliessen oder ob sie „bloss“ eine Preisabrede treffen, stehen sie immer im Wettbewerb mit Avis, Enterprise, Hertz, Sixt und regionalen Anbietern, so dass die Kunden über viele Ausweichmöglichkeiten verfügen. Warum also sollte die eine Kooperationsform (Abrede) wettbewerbsrechtlich problematischer sein als die andere Kooperationsform (Zusammenschluss)?

Theorie, Empirie und Erfahrung legen nahe, dass Preisabreden (horizontale) in aller Regel schädlich sind. Deshalb ist aus Kosten-/Nutzen-Überlegungen nachvollziehbar, dass bei solchen Abreden von den Beteiligten verlangt wird, deren positive Wirkungen zu belegen, andernfalls die Abreden untersagt werden. Aus den oben genannten Gründen (und nach Einführung des SIEC-Tests) müsste es den Abredebeteiligten aber zusätzlich offen stehen zu zeigen, dass einer Kooperation der Beteiligten in Form eines Zusammenschlusses keine kartellrechtlichen Hindernisse entgegenstehen würden. Hat ein Zusammenschluss keine negativen Wettbewerbswirkungen, ist nicht einzusehen, weshalb eine andere Kooperationsform solche Wirkungen zeitigen sollte.

Aber vielleicht präzisiert ja das Bundesgericht seine Rechtsprechung bald im hier angeregten und im Sinne von Nicolas Birkhäuser und Alessandro Stanchieri.

___________________________________________________

*Meines Erachtens ist dieser Test zwar theoretisch korrekt. Aus praktischen Gründen bin ich aber gegen seine Einführung. Die Zusammenschlusskontrolle in der Schweiz funktioniert zufriedenstellend. Bevor sie geändert wird, wäre zu zeigen, dass der heute massgebende Test (Begründung oder Verstärkung von Marktbeherrschung und Gefahr der Beseitigung des wirksamen Wettbewerbs) Fehlentscheide verursacht hat. Im Fall von nicht-exakten Wissenschaftsbereichen, also vorliegend, soll ein funktionierendes System nicht wegen theoretisch möglicher, aber praktisch nicht nachgewiesener Fehlfunktion ersetzt werden.


Kommentare

Eine Antwort zu „Keine erhebliche Behinderung wesentlichen Wettbewerbs”.

  1. Avatar von Markus Saurer
    Markus Saurer

    Vielen Dank an Adrian Raass für seine Beharrlichkeit in einer Sache, in der sich die Behörden offensichtlich immer weiter von den ökonomischen Realitäten entfernen. Der Autor schreibt: „Theorie, Empirie und Erfahrung legen nahe, dass Preisabreden (horizontale) in aller Regel schädlich sind.“ Das ist natürlich richtig. Aber gemeint sind dabei nur Preisabreden, denen sich ein überwiegender Teil der Kunden nicht entziehen kann (nicht „will“, sondern „kann“!). Abreden, die für die Kunden keinen Zwang mit sich bringen – weil sie andere Optionen haben – können gar nicht Elim Sinne der Bundesverfassung und im Sinne von Art. 1 KG schädlich sein.

    Das Bundesgericht hat sich mit Gaba/Gebro (Elmex) klar auf einen verfassungswidrigen Kurs begeben.

    Jeder und jede, der oder die sich in den Regalen der Detailhändler „umschaut“, sieht sofort, dass Abreden, die nur für Gaba-Produkte (z.B. Elmex Zahpasta und Zahnbürsten) gelten, unmöglich volkswirtschaftliche und sozial Schäden generieren können. Ebenfalls ist in der Praxis klar, dass keiner gezwungen ist, einen überteuerten BMW zu kaufen. Die Liste der Beispiele kann ad libitum weitergeführt werden. Da können Juristen wie Heinemann, Zäch, Stoffel, Baldi und und und noch so scheinbar ausgeklügelte Interpretationen schreiben …. so lange der Kunde eine Wahl hat und durch Verhaltensweisen der Marktakteure keinen echten Zwängen ausgesetzt ist, haben KG und Weko und Gerichte in den betreffenden Märkten nichts verloren.

    Warum wehren sich denn nicht die von behördlichen Interventionen betroffenen Anbieter? Nun, das ist im Grunde genommen eine einfache Frage. Sie wehren sich nicht, weil letztlich in jedem Fall die Kunden die Folgen von Überregulierungen tragen. Jede Intervention der Behörden setzt einen Teil der „Klaviatur“ des Wettbewerbs „ausser Betrieb“. Das macht das Leben der aktuellen und potenziellen Konkurrenten einfacher. Und last but not least: Wer zahlt die horrenden Bussen z.B. der EU oder der USA? Klar: Der Konsument und die Konsumentin.

Wir freuen uns über Ihren Kommentar

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s