Roaming-Regulierung: Ineffiziente Kosten- und Preisillusion sowie Rattenfängerei

Roaming-Regulierung: Ineffiziente Kosten- und Preisillusion sowie Rattenfängerei

„Druck auf Roaminggebühren nimmt zu –
UPC lanciert neues Angebot – in der EU sind die Zusatzkosten im Ausland abgeschafft“ (BaZ)

Unter diesem Titel schreibt Redaktor Patrick Griesser heute in der Basler Zeitung über ein neues UPC-Handy Abonnement, das (scheinbar) Gratis-Roaming in Europa beinhaltet, und über die kürzliche Abschaffung der Roaminggebühren im EU-Binnenmarkt (ohne Schweiz) durch regulatorischen Zwang. Beraten liess sich der Redaktor offenbar allein vom Preisvergleicher Ralf Beyeler (verivox.ch), den er mehrfach zitiert.

Obwohl Beyeler einräumt, dass die Roaminggebühren der Schweizer Anbieter seit längerem ohne regulatorischen Zwang in Bewegung gekommen sind, bedauert er, dass derzeit kaum politischer Druck für niedrigere Gebühren oder deren Abschaffung wie in der EU zu erwarten sei. Mit einem Vorstoss als grösster Aktionär von Branchenführer Swisscom könnte, so Beyeler, der Bundesrat aber ein Zeichen setzen und die Branche aufrütteln – etwa durch eine Deckelung der Marge für Roamingprodukte. Doch ein solcher Vorstoss sei leider nicht zu erwarten. Diese Aussagen des „Experten“ werden vom „Investigativjournalisten“ Griesser nicht hinterfragt. Dabei ist in Beyelers Aussagen ökonomisch und institutionell nichts richtig.

Roaming generiert Kosten

Die Roaming-Kunden beanspruchen die Netze in den Gastländern mit Telefonie und Daten genauso wie die ansässigen Kunden. Die entsprechenden Kosten für Originierung, Durchleitung und Terminierung des Verkehrs (Telefonie, Daten) werden den Heimnetzen der Roaming-Kunden in Rechnung gestellt und letzteren in Form verbrauchsabhängiger oder pauschaler Roaminggebühren belastet. Erklärt man nun, wie es die EU tut, dass für das Roaming keine spezifischen Gebühren mehr erhoben werden dürfen, dann werden die Anbieter die Roamingkosten auf Dauer einfach in anderer Form, nämlich nur noch pauschal, in ihren Abonnementspreisen einbauen müssen.

Ein solcher „Wasserbetteffekt“ ist gewissermassen „en miniature“ auch im UPC- Abo enthalten, da dieses das „Gratis“-Roaming gegen Aufpreis bietet. Das ist also so wenig gratis wie die Inklusiv-Roamingeinheiten in gewissen Abonnementen der Konkurrenz, die auch teurer angeboten werden als Abonnemente ohne Roaming.

Effiziente Preis-Leistungsdifferenzierung

Im schweizerischen Markt gibt es heute eine breite Palette von Abonnementen mit mehr, weniger oder gar keinem Roaming, die bei Bedarf flexibel mit weiteren Roaming-Sprach- oder -Datenpaketen ergänzt werden können. Preisvergleicher wie Beyeler bzw. verivox helfen den Kunden dabei, das für deren Bedürfnisse günstigste Angebot herauszufiltern (das scheinen die Preisvergleicher in der Tat zu können). Das ist wirksamer Wettbewerb, der natürlich zu unübersichtlich vielfältigen Verhältnissen führen kann, soweit die Bedürfnisse der Kunden ebenso vielfältig sind. Wer selten oder gar nie ins Ausland reist, der verlangt nach einem möglichst billigen Abonnement ohne Roaming.

Der Wettbewerb führt damit in der Regel zu einer volkswirtschaftlich effizienten Preis-Leistungsdifferenzierung, zu Effizienzsteigerungen und meistens auch zu sinkenden Preisen (für elastische Kunden mehr, für inelastische Kunden weniger). Tut er das nachweislich nicht, dann könnte eine Abrede oder ein einzelner oder kollektiver Marktmachtmissbrauch vorliegen, für den die Wettbewerbsbehörden zuständig sind und dazu alle nötigen Eingriffsinstrumente zur Verfügung haben.

Roamingregulierung gefährdet Effizienz und Wettbewerb

Die generelle Regulierung des Roamings à la EU ist dagegen eine populistisch-opportunistische Politik zu Gunsten der wohlhabenderen Kunden, die in den EU-Ländern herumreisen. Diese Kunden sorgen für stark steigenden Spitzenbedarf, für den die Netze laufend verbessert und ausgebaut werden müssen. Und die Regulierung sorgt jetzt indirekt dafür, dass ein noch grösserer Teil der dadurch verursachten Kosten auch auf völlig unbeteiligte Kunden überwälzt wird. Weg vom Verursacherprinzip – hin zur Externalisierung der europäischen Netzkosten, was diese tendenziell noch stärker in die Höhe treiben wird. Wer wird sich denn beim Roaming zum Nulltarif noch die Mühe machen wollen, nach Gratislösungen über WiFi zu suchen und ein paar Klicks zur Umstellung vorzunehmen?

Die Erfahrung zeigt im Weiteren, das marktführende Anbieter mit regulatorisch aufoktroyierten Preise oft weit besser leben können als ihre kleineren Konkurrenten. Letztere haben ein viel kleineres „Wasserbett“, also weniger Möglichkeiten, regulierungsbedingte Etragsausfälle in anderen Bereichen zu kompensieren (dies hat sich in der Schweiz auch schon bei einer regulatorischen Beschneidungen der Terminierungsgebühren gezeigt).

Auch aus diesem Grund kann es vorkommen, dass Wettbewerbsbehörden marktführenden Anbietern untersagen, ihre Preise allzu stark zu senken, weil sie darin eine gegen schwächere Wettbewerber gerichtete Strategie sehen, die letztere über kurz oder lang aus dem Markt drängen könnte. Es liegt auf der Hand, dass auch Preisdiktate wie beim Roaming der EU solche Verdrängungseffekte auslösen könnten. Wir werden sehen. Lässt man dem Wettbewerb nicht genügend Zeit sich als Prozess entwickeln zu können, dann erstickt man ihn unter Umständen im Keim.

Absurde Idee einer direkten Einflussnahme des Bundesrats

Die schlechteste (institutionell zudem rein fiktive) Idee Beyelers besteht schliesslich darin, den Bundesrat als Strategiechef der noch mehrheitlich bundeseigenen Swisscom direkt im Markt Einfluss nehmen zu lassen: „Ein Zeichen setzen und die Branche aufrütteln“. Dadurch würde die Branche nicht aufgerüttelt – was sie gar nicht nötig hat (!) -, sondern zerrüttet.

Die Wettbewerbsbehörden bis hin zum Bundesgericht müssten deshalb Swisscom (am besten gleich mitsamt Gesamtbundesrat) des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung bezichtigen und das Ansinnen per superprovisorischer Verfügung unverzüglich stoppen.

Zugegeben, diese im Rahmen der tatsächlichen Gegebenheiten und des phantomhaften Charakters der Roaming-„Problematik“ absurde Idee, wird hier etwas glossenhaft behandelt. Eine eingehende Behandlung würde den Rahmen dieses Blogbeitrags sprengen, ohne wirklich nützlich zu sein.

Schluss

Seit 1998 sind in der Schweiz alle Telekommärkte geöffnet. Der Wettbewerb funktioniert – auch in der Mobiltelefonie – wie diverse Evaluationen und Berichte des Bundesrats zeigen. Es ist somit zur Zeit weder nötig noch sinnvoll, dass der Staat eingreift. Die Roamingfront ist seit langem zu Gunsten der Benutzer des Roamings (und nicht zu Lasten anderer Kunden) in Bewegung. Die EU darf man mit ihrem populistischen Verbot von Roaminggebühren nicht zum Vorbild nehmen, wie sich auch zeigen wird.

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