Im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. November 2016 in Sachen Starticket gegen Hallenstadion und Ticketcorner wird in Rz. 272 erwähnt, die Beschwerdeführerinnen würden geltend machen, dass die Vertriebspreise von Ticketcorner wegen der Ticketingklausel zu hoch angesetzt werden könnten (http://www.bvger.ch/index.html?lang=de&download=NHzLpZeg7t,lnp6I0NTU042l2Z6ln1acy4Zn4Z2qZpnO2Yuq2Z6gpJCDdYF3fWym162epYbg2c_JjKbNoKSn6A– ). Im selben Sinn habe ich in meinem letzten Blogpost von möglicherweise überhöhten Ticketingkommissionen gesprochen. Das war vielleicht etwas vorschnell, denn überhöhte Vertriebspreise oder Kommissionen sind unwahrscheinlich und nicht im Interesse des Hallenstadions.
Wie in Abschnitt J.b. des Urteils beschrieben, fallen für die Nutzung des Hallenstadions Gebühren sowie gegebenenfalls – d.h.sofern die Veranstaltung durch den Verkauf von Tickets finanziert wird – variable Ticketgebühren an. Die Nutzung der Halle sowie das Ticketing sind somit komplementäre, d.h. sich ergänzende Leistungen. Bei komplementären Leistungen ist es für die Vertragsparteien – hier Hallenstadion und Ticketcorner – ungünstig, wenn eine der Parteien überhöhte Preise verlangt. Denn dies hätte eine Erhöhung des Gesamtpreises – Hallenmiete plus Ticketkommission – zur Folge, was bekanntlich auf die Nachfrage drücken würde. Also ist das Hallenstadion daran interessiert, dass das Ticketingunternehmen eine möglichst preisgünstige Leistung erbringt. Auch das Ticketingunternehmen hat kein Interesse an hohen Hallenmieten, denn dies würde eine verminderte Attraktivität für die Veranstalter bedeuten, also weniger Veranstaltungen und somit auch weniger zu vertreibende, kommissionsberechtigte Tickets.
Dies gilt selbst dann, wenn Hallenstadion oder Ticketcorner Monopolistinnen wären. Die jeweils komplementäre Leistung ist für sie ein reiner Kostenfaktor. Um die Nachfrage möglichst wenig zu beeinträchtigen, sind sie an einer Minimierung dieser Kosten interessiert.
Das Hallenstadion scheint Halle und Ticketing faktisch als Paket zu verkaufen (vgl. K.l. des Urteils). Ticketcorner leistet für die ihr eingeräumten Rechte substanzielle Zahlungen ans Hallenstadion (K.e). Wenn die Ticketingkommissionen wirklich überhöht sind, dann erhält das Hallenstadion einen grossen Teil (alle?) dieser Erträge. Der Paketpreis insgesamt ist indes sicherlich nicht überhöht, denn andernfalls würde sich das Hallenstadion im Wettbewerb mit anderen Veranstaltungslokalitäten selbst bestrafen. Aber auch wenn das Hallenstadion Monopolistin wäre, wären höhere als Monopolpreise für das Hallenstadion irrational. Und da Monopolpreise kein Problem sind, sofern die Monopolstellung auf einer überlegenen Geschäftsidee beruht*, fragt sich, ob es überhaupt ein kartellrechtlich relevantes Problem gibt.
Der Kooperationsvertrag zwischen Hallenstadion und Ticketcorner ist auf fünf Jahre begrenzt (K.h des Urteils). Gut möglich, dass das Hallenstadion nach Ablauf dieser Frist eine Ausschreibung der Ticketingleistungen veranstalten wird. Das könnte Sinn machen, denn wie im Sachverhalt, G.g, beschrieben, ist ein Doppel-oder Mehrfachabsatz von Tickets durch eine Aufteilung auf mehrere Ticketingunternehmen in der Praxis regelmässig nicht sinnvoll (das bedeutet wohl „nicht effizient“). Einen Wettbewerb um die Ticketingleistungen für eine bestimmte Periode könnte durchaus das effizienteste Verfahren sein.
Neben den vom Bundesverwaltungsgericht befohlenen Abklärungen könnte es sich aus den genannten Gründen als nützlich erweisen, die Komplementaritäten zwischen Hallenstadion und Ticketcorner vertieft zu prüfen.
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*So die für Wettbewerbspolitik zuständige EU-Kommissarin Vestager: „Because sometimes, a company is dominant simply because it’s better than its competitors. And when that’s the case, it’s only fair that it should get the rewards of its efforts“ (https://ec.europa.eu/commission/2014-2019/vestager/announcements/protecting-consumers-exploitation_en)