Unterangebote öffentlicher Anbieter sind ein wettbewerbsverzerrendes Verhalten zulasten der Privatwirtschaft. Staatliche und halbstaatliche Bewerber müssen künftig für Projekte externer Auftraggeber kostendeckende Preise kalkulieren. Der verbreiteten Praxis an Schweizer Hochschulen, ihre Drittmittelprojekte mit Steuergeldern zu subventionieren, müsste nun (eigentlich) ein Ende gesetzt sein.
Im Streitfall eines BAKOM-Auftrags für die Analyse des SRG-Onlineangebots fällte das Bundesverwaltungsgericht (BVGer) den aufsehenerregenden Präzendenzentscheid am 13. April 2016 in einer öffentlichen Beratung (Nr. B-3797-2015). Höchstens einmal im Jahr ordnet das Gericht diese spezielle Form der Urteilsfindung an, nur falls von einer besonderen Präjudizwirkung für die Schweizer Rechtsprechung ausgegangen wird.
Streitfall: Analyse des SRG-Onlineangebots
Im Mai 2015 erteilte das BAKOM in einer Vergabe nach WTO-Richtlinien den Zuschlag an die UZH (IPMZ, Prof. Latzer) als bisherige Auftragnehmerin. Das private Forschungsunternehmen Publicom AG aus Kilchberg/ZH, bemühte sich ebenfalls um den Auftrag, unterlag jedoch denkbar knapp, vor allem wegen des minimal tieferen Gesamtpreises der UZH. Die Universität generiert damit einen durchschnittlichen Stundenansatz von etwa 57 Franken, lässt hochqualifiziertes akademisches Personal demnach unter dem Regiesatz eines Malerstifts im zweiten Lehrjahr arbeiten. Dies ist selbstverständlich nur möglich, weil in der Offerte der staatlichen Anbieterin tatsächlich anfallende Projektkosten von rund CHF 500’000 fehlen!
Im Juni 2015 hat Publicom deshalb Beschwerde vor BVGer eingereicht. Im Grundsatz musste das Gericht klären, ob Dienstleistungen öffentlicher Anbieter mit Steuergeldern quersubventioniert werden dürfen, um diese dann nicht kostendeckend am freien Markt anzubieten. Die Akteneinsicht in die Kostenaufstellung der UZH-Offerte bestätigte sämtliche Verdachtsmomente: Die Hochschule liegt meilenweit von der geforderten Kostenwahrheit entfernt, und es ist fraglich, ob schlicht Dilettantismus, ein völlig fehlendes Problembewusstsein oder gar böswillige Absichten für die zahlreichen Mängel verantwortlich sind.
Die Mehrheit der fünf Bundesverwaltungsrichter folgte der Publicom-Argumentation: Die Kalkulation weise gewichtige Indizien für ein wettbewerbsverzerrendes Unterangebot der öffentlichen Anbieterin auf. Solche Offerten, die unter den Gestehungskosten liegen, sind nach Schweizer Recht grundsätzlich zulässig. Jedoch dachte die hiesige Rechtsprechung bis vor kurzem nur an marktwirtschaftliche Akteure, Dumpingofferten öffentlicher Anbieter wurden von einem Schweizer Gericht bisher noch nie beurteilt.
Quersubventionierte Unterangebote sind zwingender Ausschlussgrund
Gemäss Urteilsbegründung des BVGer steht die grundsätzliche Zulässigkeit staatlicher Anbieter in Vergabeverfahren unter dem wichtigen Vorbehalt: Es darf „keine faktische Quersubventionierung der Wettbewerbstätigkeit des Subjektes aus hoheitlichen oder anderen marktfernen Tätigkeiten dieses Subjektes stattfinden“. Aufgrund ihrer Ungleichheit in Bezug auf das unternehmerische Risiko, bzw. die Möglichkeit der Quersubventionierung, dürfen öffentliche Anbieter hinsichtlich der Frage nach der Zulässigkeit von Unterangeboten nicht mit Privaten gleichgestellt werden. Unter Anwendung des Grundrechts der Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 BV) und des Gleichbehandlungsgebots im Vergaberecht (Art. 1 BÖB) kommt das BVGer letztlich zum juristisch relevanten Schluss:
„Die Vergabestelle [muss] jedenfalls die Möglichkeit haben, wenn nicht gar verpflichtet sein, ein Angebot eines öffentlichen Anbieters, welches aufgrund von Quersubventionierung nicht kostendeckend ist, gestützt auf Art. 11 BÖB auszuschliessen.“
Dem staatlichen Auftraggeber kommt auch kein eigenes Ermessen zu, sondern er muss bei gewichtigen Indizien für wettbewerbswidrige Praktiken zwingend Abklärungen treffen und wo nötig Erkundigungen einziehen, damit er die Kalkulationen öffentlicher Akteure seriös überprüfen kann, um über einen möglichen Ausschluss zu befinden. Dieser wäre bei entsprechendem Befund dann zwingend vorzunehmen.
Aus diesen Gründen hat das BVGer den Zuschlag zugunsten der UZH aufgehoben und dem BAKOM zur Neubeurteilung zurückgewiesen. Eine direkte Zuschlagserteilung an Publicom war aus juristischen Gründen offenbar nicht möglich. Das Urteil kann noch bis am 24. Juni 2016 vor Bundesgericht angefochten werden. Ob das BAKOM diesen Schritt unternimmt ist derzeit offen, so ist lediglich zu hoffen, dass das Bundesamt bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist die richtigen Schlüsse zieht.
Präjudiz-Urteil mit ungewissen aber potenziell weitreichenden Konsequenzen
Wie schnell und in welchem Ausmass das BVGer-Urteil seine Präjudizwirkung entfaltet, ist derzeit noch offen, denn wichtige Fragen zur juristischen und politischen Durchsetzung der neuen Rechtsprechung sind noch unbeantwortet. Es ist ungewiss, ob dadurch die Kräfteverhältnisse im lukrativen Drittmittelmarkt verschoben werden, welcher nur schon den 12 Schweizer Universitäten jährlich CHF 1’300 Mio. beschert (ohne Fachhochschulen). In ihrem Streben nach Spitzenpositionen in den Hochschul-Rankings, die vor allem durch einen hohen Publikationsoutput erreicht werden, eröffnen die externen Finanzquellen den Universitäten eine klassische Win-win-Situation. Deshalb ist davon auszugehen, dass sie diesen Markt nicht schnell und kampflos aufgeben werden. Vielmehr müssen private Anbieter wohl auch mittelfristig noch damit rechnen, sich in den Vergabeverfahren mit unlauteren Unterangeboten konfrontiert zu sehen.
Kontakt Publicom: Stefan Thommen, sthommen@publicom.ch
Weitere Informationen unter www.publicom.ch