Die Revision des Kartellgesetzes ist gescheitert. Der Nationalrat hat heute am 17. September 2014 an seinem Rückweisungsantrag festgehalten, womit dieser wirksam wurde (Art. 87 Abs. 2 ParlG). Das Geschäft liegt nun wieder beim Bundesrat. Die Revision war zu überladen, was aus unterschiedlichen Gründen einen Konsens zu umstrittenen Punkten verunmöglichte. Immerhin ist positiv zu vermerken, dass der Nationalrat offenbar nicht bereit war, dem Kartellgesetz mit dem Vorschlag von Art. 7a (und gegen die sogenannte Hochpreisinsel) einen wirtschaftsplanerischen Charakter zu verleihen. Wie soll es nun weiter gehen?
Einige Punkte blieben in den parlamentarischen Diskussion wenig beachtet oder unbestritten. Dementsprechend könnte überlegt werden, ob diese Punkte sozusagen in einer abgespeckten KG-Revision noch einmal bzw. so schnell wie möglich wieder ins Parlament gebracht werden sollten.
Die Revision wurde von der umfangreichen und wertvollen Evaluation angestossen, die jedoch leider (wie in Art. 59a Abs. 2 KG explizit vorgeschrieben) viel zu früh durchgeführt wurde. Mit wenig gerichtlicher Praxis zu den Sanktionen in Art. 49a Abs. 1 KG und den entsprechenden „Anlasttaten“ im materiellen Teil konnte die „Wirksamkeit der Massnahmen und des Vollzugs“ des Kartellgesetzes noch nicht mit genügender Bestimmtheit abgeschätzt werden. Aufgrund dieses Umstandes würde sich nach meiner Ansicht eine neue „KG-Revision light“ in Bezug auf die weitgehend unbestrittenen Punkt nur rechtfertigen, wenn diese Themen besonders dringlich wären. Diese Frage soll im Folgenden kurz skizziert werden:
– Fusionskontrolle: Im Vergleich zu den ungeklärten Fragen zur Erheblichkeit und insbesondere zu den vertikalen Abreden erscheint die Dringlichkeit der Revision der Fusionskontrolle nicht besonders gross. Zwar ging der Bundesrat zu Recht von einem Handlungsbedarf aus und verfolgte einen wünschenswerten Ansatz, jedoch werden in der ökonomischen Literatur auch Zweifel darüber geäussert, ob in der EU der Wechsel vom „dominance test“ zum SIEC viel gebracht hat (Bishop/Walker, The Economics of EC Competition Law, 3. Aufl., London 2010). Eine wirksame Änderung der Fusionskontrolle in der Schweiz müsste wohl auch tiefere Schwellenwerte mit einbeziehen. Letztlich geht es bei diesem Thema vor allem darum, wie mit der aktuellen bundesgerichtlichen Rechtsprechung zur Beseitigung von wirksamem Wettbewerb als Eingreifkriterium umgegangen werden soll. Da eine Änderung dieser Rechtsprechung zumindest nicht ausgeschlossen ist und den Wettbewerbsbehörden faktisch ein gewisser Spielraum zufällt, ist die Revision zurzeit nicht der einzige Weg für eine Verbesserung der Fusionskontrolle.
– Meldeverfahren: Die Verbesserung des Meldeverfahrens stellt ebenfalls einen guten Ansatz dar. Jedoch ist fraglich, ob sich eine zeitlich nahe Revision deswegen aufdrängt, insbesondere wenn – wie vom Ständerat vorgeschlagen – die vom Bundesrat vorgeschlagene Institutionenreform nicht durchgeführt würde.
– Kartellprivatrecht: Auch der Vorstoss in Bezug auf diesen Punkt ist wünschenswert. Die Wirksamkeit der bisherigen Vorschläge darf jedoch nicht überschätzt werden (vgl. zu diesem und auch den anderen Themen die Vernehmlassung der Arbeitsgruppe Schweiz der Studienvereinigung Kartellrecht).
Somit kann davon ausgegangen werden, dass die unbestrittenen Themen der KG-Revision nicht besonders dringlich sind. Zudem würde eine erneute Teil-Revision mit vielen verschiedenen Themen die Gefahr bergen, dass erneut vom Bundesrat nicht vorgeschlagene, kreative Ergänzungen vorgeschlagen werden. Deshalb drängt sich eine „KG-Revision light“ in Bezug auf die unbestrittenen Themen im Moment (noch) nicht auf.
Wenn zurzeit eine Revision mit vielen verschiedenen Themen politisch nicht durchführbar erscheint, könnte geprüft werden, ob ein Konsens in Bezug auf ein einzelnes Thema erreichbar wäre. Dazu würde sich die Institutionenreform bzw. die Professionalisierung der Weko anbieten. Obwohl sich aus Sicht des Bundesgericht aufgrund der EMRK im Moment keine Änderung bei der Organisationen der Wettbewerbsbehörden aufdrängt (BGE 139 I 72, E. 4.3), wäre es kurzsichtig, dieses Thema ad acta zu legen. Unabhängig von der EMRK-Problematik (die wohl nicht langfristig gelöst ist) ist das aktuelle System verbesserungswürdig. Auf Dauer sollten Entscheide über strafrechtliche bzw. strafrechtsähnliche Sanktionen nicht mehr einer Milizbehörde aufgebürdet werden, die sich teilweise aus Interessensvertretern zusammensetzt und engen Kontakt zum untersuchenden Sekretariat hat. Ausserdem sollten Widersprüche zu schweizerischen (Straf)-Rechtsgrundsätzen vermieden werden. Die Anlehnung an das europäische System erscheint dagegen nicht sehr hilfreich, weil die dortige Situation eine Notlösung aufgrund der fehlenden Strafhoheit der EU darstellt.
Diese Diskussion könnte beispielsweise über das Thema kartellrechtliches Verfahrensrecht aufgegriffen werden. Das aktuelle Verfahrensrecht ist unstreitig ungeeignet und unvollständig, um Verfahren zu führen, die strafrechtliche bzw. strafrechtsähnliche Sanktionen betreffen.