Es war einmal ein Bäcker.
Der verkaufte sein Brot billiger als die anderen Bäcker.
Das goutierten Letztere nicht.
Also sprachen sie: „Entweder du verkaufst dein Brot zu unsern Preisen
oder wir sorgen dafür,
dass du kein Mehl mehr erhältst.“
Da ging der Bäcker zu Salomo und klagte:
„Wettbewerb wollt‘ ich treiben,
doch unmöglich ist’s, denn alle Müller, Mehlhändler, Bäcker und Konditoren
sind darob so erzürnt,
dass kein Mehl mir mehr geliefert wird.“
In seiner Weisheit befand Salomo,
dass solch kollektive Massnahmen unrechtmässige Boykotte seien
und sprach dem Bäcker Schadenersatz zu.
Nicht selten waren solch unrechtmässige Boykotte: Auch Kioskinhaber, Uhrenfabrikaten, Glashändler, Tabakhändler und Detailhändler und andere ersuchten Salomo in ähnlicher Sache um Recht.
Und Salomo entschied, dass eine organisierte Meidung eines Gewerbetreibenden ein Boykott sei,
der den gemiedenen Gewerbetreibenden erheblich in der Ausübung des Wettbewerbs behindere
und nur gerechtfertigt sei, wenn der Boykott offensichtlich überwiegende berechtigte Interessen verfolge.
Beeindruckt von den Erlebnissen des Bäckers, des Kioskinhabers, des Uhrenfabrikaten, des Tabakhändlers, der Detailhändler und anderer
und nochmals anderer,
die auch unter Boykotten zu leiden, Salomo indes nicht angerufen, sondern ihre Probleme anders gelöst hatten,
nahmen sich gelehrte Männer der Sache an und meinten,
dass jedermann jederzeit die Möglichkeit haben müsste, Wettbewerb zu treiben.
Der Wettbewerb müsse also möglich und die Marktteilnehmer diesbezüglich frei sein.
Belehrt durch die Weisheit Salomos und der gelehrten Männer
erliessen die Volkstribune ein Gesetz,
das den möglichen Wettbewerb möglich machen sollte.
Im Verlaufe der Zeit musste der mögliche Wettbewerb
nicht mehr nur möglich,
sondern auch wirksam sein.
Über die Wirksamkeit dieses Wettbewerbs
zogen andere gelehrte Männer und – mit der Zeit immer mehr – auch gelehrte Frauen
Bilanz.
Sie saldierten dazu
alle nützlichen und schädlichen Auswirkungen von erheblichen Wettbewerbsbeeinträchtigungen
wie die Auswirkungen auf die Wettbewerbsfreiheit, das Wettbewerbsausmass, die Herstellungs- und Vertriebskosten, die Preise, die Qualität, die Versorgung, die Struktur des Wirtschaftszweiges, die Landesteile, die Konkurrenzfähigkeit einheimischer Unternehmen im In- und Ausland und die Interessen der betroffenen Arbeitnehmer und Konsumenten – also Äpfel und Birnen.
Dann kam das Zeitalter des Paradigmenwechsels:
Nicht mehr der erheblich betroffene Einzelne,
sondern der erheblich beschränkte Wettbewerb
war fortan von der erheblichen Beschränkung zu befreien.
Aber schwer erwies sich’s auseinanderzuhalten,
die Betroffenheit des Einzelnen
und jene des Wettbewerbs.
Die gelehrten Männer und Frauen fürchteten Schlimmes,
wenn der Einzelne beschränkt ist in der Freiheit,
den Preis zu verlangen wie er will.
Schlimm ist’s,
wenn der Eine, der die Ware produziert,
dem Anderen, der sie vertreibt,
sagt, ich geb‘ meine Ware her,
aber nur, wenn du den Preis verlangst, der mir genehm.
Unwichtig ist’s,
wenn daneben tausend Andere
mit ähnlicher Ware Wettbewerb treiben.
Da hätt‘ unser Bäcker
– mittlerweile wohl verstorben –
gerufen: „Warum soll ich nicht mit dem Einen die Verträge schliessen,
wie mir’s beliebt,
wenn daneben tausend Andere Wettbewerb treiben!
Ganz anders war mein Begehren:
Tausend Andere mieden mich,
weil ich Wettbewerb treiben wollte.
Verhindert war der Wettbewerb
und mein Geschäft.
Zu Recht hat Salomo damals befunden,
dass der Boykott Unrecht sei.
Worin aber liegt die Weisheit,
dem Einen zu verbieten,
mit dem Anderen
was beliebt zu vereinbaren,
wenn dadurch weder Wettbewerb
noch Geschäft verdorben wird?“
Und wenn sie nicht gestorben sind, wundern sich der Bäcker, der Kioskinhaber, der Uhrenfabrikant, der Tabakhändler, der Detailhändler und viele andere noch heute
ob der Bescherung.