Gelenkter Wettbewerb der Tech Giganten?

Die Competition and Markets Authority (CMA; UK) ist aufgrund ihrer Marktbeobachtung und Analyse zum Schluss gekommen, dass Google und Facebook auf ihren jeweiligen Werbemärkten

  • search advertising market (Google > 90%)
  • display advertising market (Facebook > 50%)

ihre marktbeherrschende Stellung missbrauchen.

Die CMA ist der Auffassung, dass diesen und weiteren Wettbewerbsproblemen moderner digitaler Märkte mit den bestehenden Wettbewerbsgesetzen nicht beizukommen ist. Vielmehr müssten dafür nun rasch nicht nur spezifische Regeln für digitale Märkte, sondern für deren Vollzug zudem eigens eine Digital Markets Unit als Teil der CMA geschaffen werden.

Mit der Ausarbeitung dieser Regulierung soll eine Digital Markets Taskforce – natürlich ebenfalls unter Oberleitung der CMA – betraut werden.

Press release
Published 1 July 2020
From: CMA

New regime needed to take on tech giants

The CMA is calling on the government to introduce a new pro-competition regulatory regime to tackle Google and Facebook’s market power.

The dynamic nature of digital advertising markets and the types of concerns identified by the Competition and Markets Authority (CMA) in its market study are such that existing laws are not suitable for effective regulation. It is therefore recommending a new pro-competition regulatory regime to govern the behaviour of major platforms funded by digital advertising, like Google and Facebook.

This recommendation to government is the result of a year-long examination of the markets. The CMA used its statutory information gathering powers to lift the lid on how advertising revenue drives the business model of major platforms.

Lesen Sie hier weiter.

Sehen Sie sich zudem an:
CRESSE Lifestream-Conference
July 7, 2020

Antitrust and Regulation in the Digital Economy

There is a growing support for some form of regulation, alongside antitrust, in digital markets. The European Commission is consulting on a prospective market investigation tool and ex ante regulation. The CMA’s digital advertising study will inform the UK’s own thinking. But while there are economic similarities between the major platforms, there are also major differences, in business models, in the role played by data (and relevant privacy considerations), in the extent to which platforms are open or closed, and in their roles as rule-setters for their users. What would all this mean for regulation, and indeed what would regulation mean for antitrust? This panel of distinguished speakers will bring together several different perspectives for a well-informed and timely discussion of this complex area.

Lesen Sie hier weiter.

Und sehen Sich sich an:
The New Antitrust Revolution

Kommentar

In diesem Blog wurde schon vor einiger Zeit die Meinung vertreten, die materiellrechtlichen Tatbestände des Kartellgesetzes seien genügend flexibel ausgestaltet, damit das Gesetz auch den Besonderheiten digitaler Märkte gerecht werden könne (vgl. Digitale Wirtschaft von Daniel Emch). Dieser Meinung bin ich immer noch.

Mit „besonderen“ Märkten und „Besonderheitentheorien“ als Begründung sektorspezifischer Regulierungen wurden in der Wettbewerbs- und Regulierungsökonomie notorisch negative Erfahrungen gemacht. Wettbewerb ist ein ergebnisoffenes Entdeckungsverfahren: woher wollen die Regulatoren das Wissen haben, um die „Markt“ergebnisse gewisser Wirtschaftsbereiche erfolgreich mit ex ante Regulierungen effektiv zu verbessern?

Sie sind auf Angaben der zu regulierenden Marktteilnehmer angewiesen. Diesen gelingt es oft, ihren Wissensvorsprung gegenüber den Regulierungsbehörden im Regulierungsprozess (regulatory game) zugunsten ihrer eigenen Interessen umzusetzen (regulatory capture). Die Regulierung entfaltet dann ähnliche Wirkungen wie ein Kartell (straight jacket, chilling). Der harte Wettbewerb, der Gewinner und Verlierer schaffen würde, wird in ein Hybrid von Kooperation und Konkurrenz umfunktioniert, in ein System der „optimalen Mittelmässigkeit“ oder – wie Marc Amstutz und Mani Reinert in duchaus vergleichbarem Zusammenhang schon 2005 formulierten – einen „Wettbewerb der Schlafmützen“.

Gestützt auf „Besonderheitentheorien“ haben die EU-Wettbewerbsbehörden beispielsweise seit Jahren den Vertrieb und die Reparaturen von Autos richtiggehend durchreguliert. Die Schweiz hat diese Regeln weitgehend kopiert. Ergebnis: Nirgends gibt es so viele Automobilhändler und Reparaturgaragen pro Kopf der Bevölkerung wie in der EU und in der Schweiz. Innovationen im Zuge der Digitalisierung werden – soweit überhaupt – im Kriechgang umgesetzt. Und in ebenso logischer wie bedauerlicher Konsequenz kosten Vertrieb und Reparaturen von Autos nirgends so viel wie in der EU und in der Schweiz. Da ist es auch nicht weiter erstaunlich, dass sich sowohl die Automobilhersteller wie auch die Händler und Reparateure schon mehrmals vehement für die Weiterführung der Regulierung ausgesprochen haben.

Ebenfalls mit „Besonderheitentheorien“ begründet die EU noch heute ihre überaus starke sektorspezifische ex ante Regulierung der Telekommunikation. Diesen Fehler hat die Schweiz glücklicheweise nicht nachvollzogen, obwohl die Regulierungsbehörden (!) dazu seit der vollständigen Marktöffnung Anfang 1998 bereits mehrere Anläufe gestartet haben. Ergebnis: Die Telekommunikationsversorgung ist in der EU zwar überall recht günstig, doch die Qualität erreicht in den meisten Ländern nicht weltweite Spitzenniveaus und Versorgungslücken in dünner besiedelten Gebieten sind häufig zu beklagen. Die Schweiz hingegen verfügt bei durchaus moderaten Preisen landesweit über eine Telekommunikationsversorgung von globalem Spitzenniveau.

Die verhältnissmässig strengere Regulierung der Telekommunikation in der EU im Vergleich zur Schweiz dürfte auch ein wichtiger Grund dafür sein, das die EU heute für die Digitalisierung weit schlechter aufgestellt ist als die Schweiz.

Jetzt soll also in digitalen Märkten quasi zur Zähmung der Tech Giganten direkt und ex ante eingegriffen werden. Dabei sind gerade diese hochtechnologischen Märkte auf Entdeckungsreisen in sämtliche Bereiche der technologischen Innovation angewiesen. Ich sage schon heute voraus, dass es solche Regulierungen geben wird, diese aber den Digitalisierungsrückstand der EU nicht verringern, sondern vergrössern werden.

Vorsicht ist auch bei der Herkunft der Regulierungsinitiative geboten. Die CMA in Grossbritannien will sich wohl den Regulierungsbereich der digitalen Märkte besser erschliessen. Sie sieht selbstverständlich die Digital Markets Unit als eine ihrer neuen Abteilungen und ebenso selbstverständlich will sie die Oberleitung in der Digital Markets Taskforce übernehmen, die nunmehr zur Schaffung der neuen Regulierungen eingesetzt werden soll.

Ich erwarte, dass auch die schweizerischen Wettbewerbsbehörden eine Regulierungsinitiative im Hinblick auf die Digitalisierung starten werden – in Bezug auf die Belieferung des Internethandels hat sich die WEKO ohnehin schon öfters (m.E. höchst fragwürdig auch mit Verfügungen) verlauten lassen. Diese Problematik kann und muss diskutiert werden.

Aber eine Abteilung für digitale Märkte in der WEKO und vor allem eine Arbeitsgruppe für die Schaffung von Regulierungen digitaler Märkte unter der Leitung der WEKO oder des WEKO-Sekretariats darf es nicht geben und wird es nicht geben.


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