Klärendes Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zu Art. 9 Abs. 4 KG: Uhrenschalen sind zu Ebauches weder nachgelagert noch benachbart

Urteil B-6180/2013 in Sachen The Swatch Group AG gegen WEKO

Gemäss Art. 9 Abs. 4 KG besteht in der Zusammenschlusskontrolle ungeachtet der Umsatzschwelle eine Meldepflicht, wenn am Zusammenschluss ein Unternehmen beteiligt ist, für welches in einem Verfahren nach dem Kartellgesetz rechtskräftig festgestellt worden ist, dass es in der Schweiz auf einem bestimmten Markt eine beherrschende Stellung hat, und der Zusammenschluss diesen Markt oder einen solchen betrifft, der ihm vor- oder nachgelagert oder benachbart ist.

Das Bundesverwaltungsgericht hat auf Beschwerde der Swatch Group hin entschieden, dass bei der Auslegung der Voraussetzungen von Art. 9 Abs. 4 KG  zu berücksichtigen sei, dass für die betroffenen Unternehmen die Meldepflicht voraussehbar sein müsse. Angesichts der unbestimmten Rechtsbegriffe der vor-, nachgelagerten und insbesondere benachbarten Märkten könne ein Problem mit der geforderten Voraussehbarkeit bestehen. Deshalb seien Art. 9 Abs. 4 KG in Bezug auf die vom Zusammenschluss betroffenen Märkte restriktive auszulegen.

Die Weko argumentierte wie folgt: Ebauches und Uhrenschalen würden sich hinsichtlich der Fertigstellung einer mechanischen Uhr gegenseitig bedingen. Entsprechend sei für den Vertrieb von Uhrenschalen entscheidend, dass auch Ebauches erhältlich seien. Folgedessen sei der Markt für Uhrenschalen ein nachgelagerter Markt zum Markt für Ebauches.

Das Bundesverwaltungsgericht hielt fest, dass bei komplexen Produkten mit vielen Komponenten (z.B. Fahrzeuge) durch eine solche Auslegung die Meldepflicht unübersichtlich bzw. ausufernd würde. Nachgelagerte Märkte i.S.v. Art. 9 Abs. 4 KG umfassen gemäss Bundesverwaltungsgericht mit Verweis auf Mani Reinert nur Produkte und Leistungen, in welche das Produkt oder die Leistung, bezüglich derer Marktbeherrschung besteht, einfliesse. Somit sei vorausgesetzt, dass ein „beherrschtes“ Produkt für die Produktion oder den Vertrieb eines anderen Marktes benötigt werde. Dieser Zusammenhang bestehe zwischen Ebauches und Uhrenschalen nicht.

Gemäss dem Urteil handelt es sich auch nicht um benachbarte Märkte. Zwar seien Ebauches und Uhrenschalen komplementär, weil beide Produkte für die Herstellung einer mechanischen Uhr benötigt würden. Dies genüge aber für die Meldepflicht gemäss Art. 9 Abs. 4 KG nicht. Nur solche  Märkte von Gütern oder Dienstleistungen würden als benachbarte Märkte in Betracht fallen, deren Nachfrage derart parallel verlaufe, dass die Güter oder Dienstleistungen im Bündel ver- oder gekauft würden. Da der Nachweis der parallelen Nachfrage (bzw. der Möglichkeit der Kopplung der beiden Produkte) nicht erbracht werden konnte, könne nicht von einem benachbarten Markt ausgegangen werden.  Ebenfalls handle es sich bei Ebauches und Uhrenschalen auch nicht um Produkte, die insofern in einem „Nachbarschaftsverhältnis“ stünden, als sie sich (obwohl nicht im dem selben Markt zugehörig) gegenseitig substituieren liessen. Die Meldepflicht wurde daher verneint. 

 


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