Das Bundesgericht erlaubt der Glarner Gebäudeversicherungsmonopolistin Glarnersach, ihre Geschäftstätigkeit auf angrenzende, kompetitive Versicherungsmärkte auszuweiten (Urteil 2C-485/2010 vom 3. Juli 2012 – BGE-Publikation). Dem Vernehmen nach entkräftete Glarnersach den Vorwurf der wettbewerbsverzerrenden Quersubventionierung mit der Vorlage eines Kostenschlüssels zwischen Monopol- und Wettbewerbsaktivitäten und vermochte damit die Bundesrichter zu überzeugen. Letztere weisen in ihrem Urteil darauf hin, dass bei wettbewerbsrechtlichen Verstössen ja immer noch die Wettbewerbskommission einschreiten könne. Wenn das Glarner Beispiel Schule macht und weitere Monopole ihre Tätigkeiten auf Wettbewerbsbereiche ausweiten, dann wird viel Arbeit auf die WEKO zukommen, die sie nur mit Willkür erledigen kann.
Warum ist dem so? Glarnersach wird erhebliche produktions- und/oder absatzseitige Synergien zwischen Monopol- und Wettbewerbsbereich erzielen (oder andernfalls im Wettbewerb keine Chance haben). Mikroökonomisch bezeichnet man diese Synergien als Verbundvorteil der gemeinsamen Produktion zweier Produktgruppen in einem Mehrprodukteunternehmen und kann diesen als Schnittmenge der Produktionskosten der Monopol- und der Wettbewerbsprodukte darstellen. Die Kosten in dieser Schnittmenge fallen bei separierter Produktion für jede der beiden Produktgruppe je einmal – also insgesamt doppelt an, während sie bei gemeinsamer Produktion einmal eingespart werden (Verwaltungsrat, Geschäftsleitung, Teile von Administration, Verkaufspersonal, Gebäuden, Fahrzeugen u.a.).
Mehrprodukteunternehmen, die mit sämtlichen Produkten dem Wettbewerb ausgesetzt sind, müssen stets die technisch-ökonomisch machbaren Verbundvorteile suchen und ausschöpfen, um dauerhaft gegen die Wettbewerber bestehen zu können, die genau den gleichen Zwängen ausgesetzt sind. Dagegen erzielt ein Mehrprodukteunternehmen wie Glarnersach Verbundvorteile zwischen Monopol- und Wettbewerbsbereichen, welche Konkurrenten ohne Teilmonopolschutz nicht erzielen können. Somit ergibt sich durch den Marktauftritt von Glarnersach im Wettbewerbsbereich eine Verzerrung, die nur durch zwei Massnahmen aufgehoben werden kann: (1) der Monopolbereich der Glarnersach wird vollständig dem Wettbewerb geöffnet (Liberalisierung). (2) der gesamte Verbundvorteil muss dem Monopolbereich zugerechnet werden.
Lösung (1) braucht nicht weiter erläutert zu werden. Lösung (2) ist mit grossen Schwierigkeiten der Ermittlung des Verbundvorteils verbunden. Wird dem Monopol ein zu geringer Verbundvorteil zugerechnet, dann profitieren davon die Wettbewerbsprodukte der Glarnersach und der Wettbewerb wird verzerrt. Wird dem Monopol ein zu hoher Verbundvorteil zugerechnet, dann wird Glarnersach im Wettbewerb nicht bestehen können. Die schlechteste aller „Lösungen“ hat jedenfalls das Bundesgericht getroffen, denn die Vorlage eines Kostenschlüssels kann nur die (per se) willkürliche Aufteilung des Verbundvorteils auf Monopol- und Wettbewerbsprodukte bedeuten, durch die der Wettbewerb mit Sicherheit verzerrt wird. Es weist zudem die WEKO offensichtlich auf eben diesen Weg der Willkür.
Wenn Unternehmen dank Verbundvorteilen aus Teilmonopolen in Wettbewerbsmärkten erfolgreich sind, dann verdrängen sie dort produktiv effizientere Unternehmen. Diese Gefahr kann aus Gründen der regulatorischen Praktikabilität nur dadurch restlos beseitigt werden, dass Monopolen jegliche Betätigung in Wettbewerbsbereichen untersagt wird. Dadurch gehen der Volkswirtschaft aber mögliche Verbundvorteile zwischen (noch) Monopol- und Wettbewerbsbereichen verloren. Dieses Problem kann beseitigt werden, wenn möglichst sämtliche Bereiche dem Wettbewerb geöffnet werden. Im Versicherungswesen sehe ich keine Gründe für die Notwendigkeit von Monopolen – sicher nicht im Bereich der Gebäudeversicherung.
Daraus folgt, dass nach dem ökonomisch absolut irregeleiteten Glarnersach-Urteil des Bundesgerichts die zuständigen Gesetzgeber (Kantone oder Bund) unverzüglich die Gebäudeversicherung liberalisierungen müssen. Schweizweit. Die WEKO kann diesen Fehler nicht korrigieren.
Vgl. auch den Kommentar von Werner Enz, NZZ, 21. Juli 2012, Reflexe, S. 26 (sowie NZZ online): Das hohe Gut Wirtschaftsfreiheit nimmt Schaden.