70 Prozent weniger Uhrwerke von Swatch
Swatch Group darf gemäss einer Vereinbarung mit der Weko Lieferungen an Konkurrenz stark reduzieren
(NZZ am Sonntag, 15. Juli 2012, S. 12 – Link nur mit NZZ-Abo zugänglich)
Die Weko verhandelte offenbar seit Monaten mit der Swatch Group darüber, in welchem Tempo diese ihre Lieferungen von Halbfabrikaten (Uhrwerke und Assortiments) an die Konkurrenz absenken und die Preise anheben darf. Aus diesen Verhandlungen resultierte ein Entwurf für eine einvernehmliche Regelung, der nunmehr den betroffenen Halbfabrikate-Kunden zur Vernehmlassung zugestellt wurde. Fallen die Stellungnahmen überwiegend negativ aus, dann werde sich die Weko laut dem Stellvertretenden Sekretariatsdirektor Patrik Ducrey mit der Swatch Group erneut an den Tisch setzen.
Abgesehen von der fragwürdigen formalen und materiellen Zulässigkeit einer solchen Vorgehensweise kann man wohl ohne Risiko darauf wetten, dass Ducrey weitere Verhandlungsrunden zu überstehen haben wird.
Schon schwieriger ist einzuschätzen, welche Interessen die Weko bei diesen Verhandlungen eigentlich vertritt. Sind es diejenigen des wirksamen Wettbewerbs auf dem Markt für mechanische Luxusuhren? Ist Swatch auf diesem (Welt-) Markt überhaupt marktbeherrschend? Oder geht es nur um den „Markt“ von Halbfabrikaten der Swatch Group? Kann ein solcher Wertschöpfungsbereich eines Konzerns im Hinblick auf die Endprodukte im Gesamtmarkt überhaupt ein kartellgesetzlich relevanter (Teil-) Markt darstellen? Was wäre denn in diesem Fall eine kompetitive Referenz für wirksamen Wettbewerb in Swatch-Halbfabrikaten? Und wie wäre ein solcher Wettbewerb beeinträchtigt, dass die Weko überhaupt einschreiten dürfte? Kann sich Swatch im Bereich seiner Halbfabrikate in wesentlichem Masse von den anderen Marktteilnehmern unabhängig verhalten?
Dies sind alles Fragen, die bei einer einvernehmlichen Regelung wahrscheinlich nicht gestellt und jedenfalls nicht beantwortet werden. Die Antworten wären in der Tat nicht leicht zu finden. Aber sie wären nötig, um den Verdacht zu beseitigen, dass die Weko nicht wirklich die Interessen des Wettbewerbs, sondern diejenigen einzelner Wettbewerber verfolgt. Politökonomisch ist übrigens die Gefahr bei diesem Je-ka-mi („jeder – ausser dem Kunden – kann mitmachen“) sehr gross, dass die Weko in diesem Fall letztlich sogar den Interessen der Swatch Group am meisten dient. Die einvernehmliche Regelung scheint doch irgendwie die starke Stellung von Swatch in den betroffenen Halbfabrikaten zu zementieren, die Beschaffung der Abnehmer (Konkurrenten) gleichzuschalten und die Halbfabrikatepreise behördlich legitimiert und planbar schrittweise zu erhöhen.
Im Rahmen der Strukturberichterstattung des seco wurde in einer Teilstudie gezeigt, dass die Uhrenkrise in den 1970-er und 1980-er Jahren auf parastaatliche Regulierungen zurückzuführen war, welche der geplanten einvernehmlichen Regelung zwischen Swatch und Weko keineswegs unähnlich waren. (Vaterlaus, Saurer, Spielmann, Worm, Zenhäusern: Staatliche sowie private Regeln und Strukturwandel, seco Strukturberichterstattung Nr. 28, Bern 2005, 173 ff.) Swatch wäre wohl auf Dauer einem intensiveren Wettbewerb ausgesetzt, wenn ihre Konkurrenten auf den Uhrenmärkten in der Beschaffung von Vorleistungen ernsthaft nach Alternativen suchen müssten.