Das Bundesgericht hat die Sanktion gegen Publigroupe bestätigt (Urteil 2C_484/2010 vom 29. 6. 12). Der Entscheid der II. Öffentlichrechtlichen Abteilung fiel am Freitag nach mehrstündiger Urteilsberatung mit drei gegen zwei Stimmen (so die NZZ). Im Rahmen des Falles Publigroupe musste das Bundesgericht auch über die Frage entscheiden, ob das im Kartellgesetz vorgesehene Bussgeldverfahren den rechtsstaatlichen Anforderungen der EMRK genügt oder ob statt der WEKO in der aktuellen Ausprägung bereits in erster Instanz ein EMRK-konformes Gericht über die Sanktionen mit Strafcharakter hätte entscheiden sollen.
Aufgrund des Urteils des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 27.11.2011 im Fall Menarini wurde allgemein erwartet, dass das Bundesgericht das aktuelle institutionelle Setting (mit Beschwerdemöglichkeit an das Bundesverwaltungsgericht) absegnen wird.
Was bedeutet das Urteil nun aber für die vom Bundesrat vorgeschlagene Schaffung eines erstinstanzlichen Wettbewerbsgerichts? Erübrigt sich dieser Revisionsvorschlag, da die rechtsstaatlichen Mängel des Verfahrens vor der WEKO gemäss Bundesgericht im Rahmen des Beschwerdeverfahrens (Bundesverwaltungsgericht hat volle Kognition) geheilt werden können?
Das Urteil des Bundesgerichts bedeutet einzig, dass die EMRK den Schweizer Gesetzgeber nicht zwingt, ein solches Gericht einzuführen. Das Urteil ist aber keine Lösung für das vom Bundesrat erkannte Problem der mangelnden Trennung zwischen dem untersuchenden Sekretariat und der urteilenden Kommission (vgl. hierzu die Botschaft des Bundesrates, S. 3921 ff.). Auch wenn das aktuelle Verfahren den Anforderungen der EMRK insgesamt genügt, darf sich der Gesetzgeber weiterhin mit der Frage auseinander setzen, ob es sinnvoll wäre, bereits in erster Instanz ein faires und transparentes Verfahren zu gewährleisten. Es gibt einige Gründe, welche dafür sprechen würden, vgl. hier und hier.