In ihrer Vernehmlassung zur Revision des Energiegesetzes vom 30. Juni 2020 pocht die WEKO zu Recht auf Wettbewerbs- und Technologieneutralität. Spätestens ab dem Jahr 2031 sei ein umfassendes und marktnahes System zur Erreichung der Ziele der Energiestrategie 2050 einzuführen, beispielsweise mittels Lenkungssystem und/oder einem Quotensystem mit Zertifikatshandel. Auf eine Verlängerung des bestehenden, auf Subventionen für bestimmte Technologien basierenden
Fördermodells um fünf weitere Jahre bis Ende 2035 sei zu verzichten.
Dem kann ich gerne beipflichten (wobei ich nichts zur Energiestrategie 2050 gesagt haben will). Wettbewerbsneutralität ist geboten, damit sich die beste/effizienteste Technologie zur Erreichung eines bestimmten Ziels durchsetzen kann. Die Förderung bestimmter Technologien durch z.B. Subventionen hingegen würgt den Wettbewerb um die beste Technologie ab. Sie ist – um mit F. A. von Hayek zu sprechen – eine Anmassung von Wissen, denn der Regulator masst sich an zu wissen, welche Technologie die beste ist. Dieses Wissen kann freilich niemand im Voraus haben. Erst der Wettbewerb wird zeigen, welche Technologie die beste/effizienteste ist.
Wettbewerbsneutralität enthält indes nicht bloss Technologieneutralität, sondern z.B. auch Strukturneutralität, also Neutralität gegenüber Unternehmensstrukturen, Vertriebsstrukturen, Produktionsstrukturen etc. Diesbezüglich ist das Gesetz, welches den Wettbewerb fördern soll, um für die Volkswirtschaft schädliche Entwicklungen zu verhindern, nicht neutral.
Unternehmenskooperationen, welche bestimmte Dinge wie Preise, Mengen oder Gebiete erfassen, sind sozusagen per se verboten, denn sie bewirken gemäss höchstrichterlicher Rechtsprechung erhebliche Wettbewerbsbeeinträchtigungen, selbst wenn der Wettbewerb nach wie vor funktioniert. Das klingt paradox (ist es auch), allerdings wird bei den genannten Kooperationen gar nicht geprüft, ob der Wettbewerb tatsächlich beeinträchtigt wird, sondern diese Beeinträchtigung wird per se angenommen. Schliessen sich hingegen Unternehmen zusammen, was automatisch eine einheitliche Preis-, Mengen- und Absatzpolitik zur Folge hat, wird nichts Derartiges angenommen. Bei Unternehmenszusammenschlüssen wird geprüft, ob es nach dem Zusammenschluss immer noch genügend aktuelle und potenzielle Konkurrenten geben wird, so dass der Wettbewerb nach wie vor spielen wird. Die eine Struktur, Kooperation in Form einer Vereinbarung, wird vom Gesetz somit anders behandelt als die andere Struktur, der Zusammenschluss.
Das Kartellgesetz ist also nicht strukturneutral und fördert gewisse Strukturen. Damit steht es allerdings dem Wettbewerb um das Auffinden der besten/effizientesten Struktur im Weg.
Das könnte seine Berechtigung haben, falls die allgemeine Lebenserfahrung und auch empirische Befunde zeigen würden, dass gewisse Strukturen immer schädlich sind. Solche Hinweise gibt es bei Vereinbarungen zwischen Konkurrenten über Preise, Mengen, Gebiete und Kunden. Keine solche Hinweise gibt es indessen bei Kooperationen zwischen Komplementären, also z.B. Produzenten und Vertreibern, zumindest solange der Endkunde die Wahl zwischen verschiedenen Produkten hat. Bezüglich Vertriebsstrukturen verletzt das Kartellgesetz den Grundsatz der Wettbewerbsneutralität somit zu Unrecht und erfüllt damit den eigenen Anspruch, nämlich den Wettbewerb zu fördern, nicht.