WEKO-Praxis zur Bonusregelung privilegiert absichtliche Tatbegehung

Während einer Hausdurchsuchung wird den Unternehmen die Möglichkeit geboten, von der Bonusregelung Gebrauch zu machen. Ein Unternehmen, welches am Tag der Hausdurchsuchung als Erstes die volle Kooperation erklärt und der Behörde zentrale Beweismittel zur Verfügung stellt, darf mit einem vollständigen Sanktionserlass rechnen.

Gemäss der Praxis nicht notwendig für den Sanktionserlass ist, dass mit der Bonusmeldung das Verfahren in Gang gesetzt worden ist. Beispielsweise beim Submissionsabsprachefall im Kanton Aargau hat eine Privatperson die Behörde auf die Kartellrechtsverstösse aufmerksam gemacht. Diese Anzeige führte zu Hausdurchsuchungen. Einige Unternehmen haben am Tag der Hausdurchsuchung oder später von der Bonusregelung Gebrauch gemacht. Einige haben  einen vollständigen Sanktionserlass oder zumindest einen vollen Erlass für die von ihnen angezeigten Submissionsfälle erhalten. Im Aargauer Fall gab es mithin ein Bauunternehmen, welches überhaupt keine Busse bezahlen musste, obwohl es den Fall nicht ins Rollen gebracht hat. Diese Praxis ist stossend, da sie im Regelfall die Absichtstäter, bei denen die höchste Führungsebene an den Kartellrechtsverstössen beteiligt ist, zu grosszügig behandelt.

Ansprechpartner der Vertreter des Weko-Sekretariats ist die oberste Unternehmensführung (regelmässig der CEO). Nur Unternehmen, welche Kartellabsprachen auf Stufe Geschäftsleitung bewusst und systematisch als Strategie verfolgten („Absichtstäter“), sind in der Lage, rechtzeitig eine Bonusmeldung einzureichen. Unternehmen, bei denen die oberste Unternehmensführung keine Kenntnis von Kartellverstössen hat (bspw. weil ein Mitarbeiter entgegen der Weisungen der GL Absprachen getroffen hat), haben keine Möglichkeit, einen vollen Sanktionserlass zu erhalten.

Die Absichtstäter werden möglicherweise sogar besser gestellt als Unternehmen, welche zu Unrecht von einem Konkurrenten der Absprachebeteiligung bezichtigt werden. Da die Behörde in aller Regel die Bezichtigungen in den Bonusmeldungen als glaubwürdig erachtet (so im Aargauer Fall), muss das zu Unrecht bezichtigte Unternehmen de facto seine Unschuld nachweisen. Ein zu Unrecht bezichtigtes Unternehmen, welches seine Unschuld nicht nachweisen kann, hat auch keine Möglichkeit, von der Bonusregelung Gebrauch zu machen.

Dieses Ergebnis lässt sich kaum mit einem allgemein gültigen Gerechtigkeitsempfinden vereinbaren. Die Praxis der Weko ist bei Bonusmeldungen zu grosszügig. Nur Unternehmen, welche einen Fall ins Rollen bringen, sollten einen vollen Sanktionserlass erhalten. Es darf nicht sein, dass gerade diejenigen Unternehmen, bei denen der CEO am Tag der Hausdurchsuchung einen Bundesordner mit Beweismitteln zu Absprachen in Griffweite hat, in den Genuss eines vollen Sanktionserlasses kommen. Zur Wahrung der eigenen Glaubwürdigkeit sollte sich die Behörde die Beweiserleichterungen nicht mit solchen Mitteln erkaufen.

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