Kritik zum Swisscom-Glasfaser-Entscheid der WEKO

Kritik zum Swisscom-Glasfaser-Entscheid der WEKO
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Lesen Sie den Kommentar von Rüdiger Sellin zum Entscheid der WEKO (vgl. deren Medienmitteilung vom 25. April 2024: „WEKO verhindert Swisscom-Glasfaser-Monopol“).

(Per Klick auf das Bild gelangen Sie zum Beitrag in Computerworld.)

Ich teile diesen kritischen technisch-ökonomischen Kommentar weitgehend, obwohl der Autor früher selber bei Swisscom mit dem Netz beschäftigt war (es zählen die Argumente und nicht die Geschichte des Argumentierenden), möchte aber das Folgende beifügen:

Die Untersuchung der WEKO dauerte von Dezember 2020 bis Dezember 2023 (Beschlussdatum – die Verfügung scheint den Parteien mit einiger Verzögerung zugestellt worden zu sein: Medienmitteilung Ende April 2024). Während des Verfahrens galt eine vorsorgliche Massnahme, gegen die Swisscom ohne Erfolg Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht und beim Bundesgericht erhoben hatte (Entscheid des letzteren am 29. November 2022). Swisscom führt nun auch Beschwerde gegen die Verfügung der WEKO – erst beim BVGer, später ggf. auch beim BGer. Ein rechtskräftiger Entscheid dürfte somit erst in einigen Jahren vorliegen.

Über alle diese Jahre gilt die vorsorgliche Massnahme, die für Swisscom enorme Mehrkosten beim Glasfaserausbau mit sich bringt, diesen vor allem in weniger dicht besiedelten (und damit weniger lukrativen) Versorgungsgebieten zum grossen Schaden der dortigen Kunden stark verzögert und damit an sich auch den Netzwettbewerb betreffend Netzausbau beeinträchtigt. Die Mehrkosten der vorsorglichen Massnahme stellen weitgehend irreversible oder „versunkene“ Kosten (sunk costs) und Nutzenverluste der Endkunden dar. Würde Swisscom das Rekursverfahren gewinnen – beim BVGer oder erst beim BGer – brächte dies die getätigten Mehrausgaben nicht zurück. Mehr als eine gewisse Genugtuung und ggf. der Wegfall der Busse von 18 Mio. CHF scheint für Swisscom gar nicht mehr drin zu liegen. Vom Nutzenverlust der Endkunden, die nun viel länger auf bessere Erschliessung warten müssen, gar nicht zu sprechen.

Unter den gegebenen Umständen hätte die vorsorgliche Massnahme m.E. nie getroffen und erst recht nicht höchstrichterlich bestätigt werden dürfen. Die tatsächlichen Schäden bei Swisscom, im Netzwettbewerb und vor allem bei den Endkunden überwiegen die potenziellen Schäden, die gewissen Mitbenützern des Swisscom-Anschlussnetzes ohne vorsorgliche Massnahme entstanden wären – und dies offenbar bei weitem.

Dass die Rekursinstanzen diese total unverhältnismässige vorsorgliche Massnahme bestätigt haben, ist schlicht nicht nachvollziehbar!

Nun stelle man sich vor, dass die Rekursinstanzen den Entscheid der WEKO im der Hauptsache kassieren würden. Wie peinlich wäre es für das BVGer und/oder für das BGer am Schluss sagen zu müssen: „Leider doch nichts gewesen.“ Und wie wahrscheinlich ist denn jetzt ein solches Ergebnis? Kann Swisscom überhaupt mit einer neutralen Prüfung ihrer Beschwerde rechnen? Ich behaupte: Nein! Mit der Gutheissung dieser extremen vorsorglichen Massnahme ist die Neutralität der Rekursinstanzen nicht mehr gegeben. Sie sind befangen.

Bei der anstehenden Behördenreorganisation sollte man auch nach Lösungen suchen, damit über vorsorgliche Massnahmen und über die Hauptsache nie dieselben Richter entscheiden dürfen.

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